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Spitzengeschichten
  • Sonntag, 29 Juli 2012, 01:21 Uhr | Lesezeit ca. 3 Min.

Von Tuchmachern zu Schleiermachern

Spitzengeschichte 20

Karte Plauen 1536Textilien für den Hausbedarf wurden in Plawen (Plauen) schon sehr früh erzeugt, und ohne Zweifel beeinflusste auch der Güterstrom auf den sich hier kreuzenden Handelswegen die rasch wachsende Entwicklung von Spinnereien, Webereien und Färbereien.

Mitte des 16. Jahrhunderts hatten die verschiedenen, mit der Tuchmacherei befassten Gewerke festen Fuß gefasst und sich in Zünften zusammen geschlossen. Zu den herrschaftlichen Pflichten des Mittelalters gehörte das Ausstellen von Handwerksprivilegien, die über die Anzahl von Meistern und die Qualität ihrer Produkte befanden. Zuerst wurden in Plawen wohl 1481 die Schuster privilegiert. Die erste Tuchmacher-Innung erhielt ihr Privileg von Kurfürst August von Sachsen am 16. Juli 1577.

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Vermutlich sind es Religionsflüchtlinge aus den Niederlanden und der Schweiz gewesen, die zu dieser Zeit die Verarbeitung des fremden Rohstoffs Baumwolle in die Region brachten. Die Herstellung sogenannter Schleier oder Schlöre ersetzte so im Laufe der Zeit das traditionelle Tuchmacherhandwerk. Anfangs gaben Nürnberger Kaufleute diese neuen Produkte in Auftrag, sie verkauften diese weiter, oft bis in den Orient. Gefertigt wurden sie oft in Heimarbeit. Um solch Zwischenhandel zu unterbinden, das städtische Handwerk zu fördern und die Übersicht über die Produktion zu sichern, erließ der Stadtrat im Dezember 1600 zusätzlich zu den bereits bestehenden Innungsartikeln eine Schleierordnung.

Sie diente einerseits der Qualitätssicherung, andererseits zur Wahrung der sich inzwischen entwickelten Monopolstellung auf dem Gebiet der Schleier- und Musseline-Produktion und dem „Schutze des guten Rufes Plawens“. An diesem Reglement für die Herstellung textiler Erzeugnisse besticht noch heute der „beinahe sozialistische Sinn für Gleichheit und Vermeidung jeglicher Übervorteilung“, wie es der Historiker Louis Bein 1884 schrieb. So war eine Hauptvoraussetzung, dass ein jeder Meister das Bürgerrecht der Stadt Plauen besitzen musste. Geregelt war auch, dass sich die Bürger der Stadt die begehrten Erzeugnisse leisten konnten. Jeder Meister hatte auf je zwei waidblaue Tücher, die von den Wohlhabenden bevorzugt wurden, je ein Stück waidschwarz für den gemeinen Mann herzustellen.

Einen Gulden Strafe kostete der Verstoß gegen diese Anordnung. Durch strenge Kontrolle wurde so der gute Ruf Plauener Tuche frühzeitig gesichert. Der Handwerksvorstand hatte den im Thüringischen wachsenden Farbstoff Waid, eine Pflanze, deren Farbstoff schon die alten Britannier zur Körperbemalung benutzten, zu besorgen. Die Meister erhielten von den Geschworenen jeweils eine gewisse Menge des Waids geliehen und mussten ihn innerhalb eines Jahres, manchmal binnen zweier Jahre bezahlen. Bei Verstoß gegen diese Regel konnte der Ausschluss des betreffenden Meisters aus der Innung erfolgen.

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Der Handel mit fertigen Tuchen war nur mit Lizenzschein erlaubt, der auch auf die Ehefrau oder eingeheiratete Kinder übertragbar war. Die Innungsmeister selbst wurden von den Ältesten der Geschworenen in Eid und Handschlag genommen. Dadurch war Orts- und Berufsfremden verwehrt, ins Handwerk einzudringen und ebenso der Abwerbung Einhalt geboten. Die Aufnahme in die Innung kostete 18 Gulden und einen Gulden zusätzlich für die Gotteskasse. Lehrlinge, die „redlichen Scheins“ sein mussten, durften nur von solchen Meistern eingestellt werden, die in der Lage waren, für deren Lebensunterhalt für mindestens ein Jahr zu sorgen.

All diese Bestimmungen sicherten den Plauener Schleiermachern schon in früher Zeit Gerechtigkeit, Ordnung, Sicherheit und der Stadt eine hohe Qualität ihrer Produkte. (ce)

Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit.

27.09.2008

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