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Spitzengeschichten
  • Sonntag, 29 Juli 2012, 02:06 Uhr | Lesezeit ca. 5 Min.

Seit wann gibt es das Telefon in Plauen?

Spitzengeschichte 13

Telefon 1“Die Sonne ist von Kupfer.“ und „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“ Mit diesen sinnfreien Sätzen begann die Geschichte des Telefons. Und das kam so: 1860 entwickelte der hessische Physiklehrer Philipp Reis ein Gerät, mit dem er Sprache auf elektrischem Weg übermitteln wollte.

Reis nannte seine Erfindung Telefon (griech. tele – fern, weit; phoné – Stimme). Im Oktober 1861 stellte der Tüftler seine Innovation dem Physikalischen Verein zu Frankfurt vor. Doch die erste öffentliche Vorführung geriet zur Enttäuschung, desinteressiert winkte die Wissenschaftlerrunde ab.

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Reis aber blieb hartnäckig und testete seinen Fernsprecher daheim weiter. Bei einem seiner Versuche wiederholte er im Haus Sätze, die sein Schwager draußen im Garten aus einem Buch vorlas. Ein anwesender Lehrerkollege misstraute dem Experiment, Reis könnte die wiederholten Textpassagen ja auswendig gelernt haben. Der Zweifler wollte sichergehen und sprach nun selbst in den unbekannten Apparat – die eingangs zitierten Sätze. Der Empfänger hinter der Hauswand konnte das Gehörte im Wesentlichen wiederholen – und seinen verblüfften Kollegen überzeugen. Reis’ Vorrichtung zur elektrischen Tonübertragung war vom menschlichen Ohr abgeschaut und bringt Techniker von heute zum Schmunzeln. Als Trommelfell präparierte er anfänglich ein Stück Wursthaut mit einem feinen Platinstreifen, der von einem Draht berührt wurde.

Trafen Schallwellen auf das „Trommelfell“, so versetzten sie es in Schwingungen, die den Stromkreis zwischen Metallstreifen und Draht unterbrachen. Später verwendete Reis statt des Ohrmodells einen mit einer Membran bespannten Schalltrichter. Zur Tonwiedergabe bastellte er den so genannten Stricknadel-Empfänger. Das war eine um eine Stricknadel gewickelte Kupferdrahtspule, durch die die gesendeten Stromimpulse flossen. Die bewegliche Nadel übertrug die Impulse wieder in Schallwellen. Die Spule platzierte der Erfinder in einem Holzkästchen, sie diente als Resonanzboden zur Verstärkung der Töne.

Der Deutsche Reis war aber nicht der Einzige, der Mitte des 19. Jahrhunderts nach einer Möglichkeit forschte, Stimmen und Geräusche mit technischen Hilfsmitteln über eine weitere Entfernung zu übertragen. So bauten in den USA der gebürtige Ungar Tivadar Puskás, der emigrierte Italiener Antonio Meucci oder auch der Amerikaner Elisha Gray funktionierende Telefone zusammen. Doch deren Modelle hatten nahezu alle einen entscheidenden Nachteil: Man konnte nur in eine Richtung kommunizieren.

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Telefon 2Den Durchbruch zum kommerziell brauchbaren Massenprodukt schaffte 1876 daher ein anderer – der im britischen Edinburgh geborene und später in die USA emigrierte Taubstummenlehrer Alexander Graham Bell. Bei Bell staken Mikrofon und Lautsprecher im selben trichterförmigen Handstück. Beim Telefonieren musste man den „Hörer“ deshalb abwechselnd an den Mund oder das Ohr halten.

Mit der Patentierung dieser Erfindung hatte Bell übrigens großes Glück, er meldete sein Telefon nur zwei Stunden früher an als Elisha Gray ein ähnliches Gerät. In Deutschland reagierten die Preußen auf die Erfindung aus Übersee am schnellsten. Schon im Oktober 1877 ließen Generalpostmeister Heinrich von Stephan und Generaltelegraphendirektor Budde mit Geräten Bell’scher Art Übertragungsversuche durchführen – erst über 6, dann 26 und zuletzt 61 Kilometer. Es funktionierte, und die Firma Siemens & Halske wurde beauftragt, weitere dieser Fernsprecher herzustellen. Ende November 1877 verließen das Unternehmen bereits 200 Apparate am Tag.

Der Siegeszug des Telefonierens war nun nicht mehr aufzuhalten. Die ersten Fernsprechleitungen wurden ab 1881 verlegt, zunächst oberirdisch, ab 1912 in Deutschland auch unter der Erde. 1881 erschien in Berlin das erste deutsche Telefonbuch mit immerhin 99 Einträgen. „Telephon-Anlage Berlin. Verzeichnis der Sprechstellen Nr. 1“ hieß dieses Heft. Allerdings gaben die Berliner dem ersten Telefonverzeichnis einen anderen Namen, nämlich „Buch der 99 Narren“ – taten doch dem Mann auf der Straße die Leute leid, die auf den Schwindel aus Amerika hereingefallen waren. Wer jährlich bis zu 200 Reichsmark für diesen Nonsens ausgab, musste ein Narr sein. Bald lachte aber niemand mehr, 1890 zählte das anfangs verpönte „Buch der Narren“ in Berlin schon 10.000 Einträge. Berlin, Breslau, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Mannheim und München erhielten 1881 Ortsnetze, und vier Jahre später bimmelte der erste Fernsprecher auch in Plauen. Das Telefon-Zeitalter begann 1885 in der 42.000-Einwohner-Stadt mit 39 Fernsprechanschlüssen, bis Ende September 1886 hatte sich deren Zahl bereits auf 120 verdreifacht. Seit 1883 wurden auch Telefonleitungen zwischen größeren Städten verlegt, als Erste im Deutschen Reich konnten Bremer und Bremerhavener einander anrufen.

Mit der heutigen Kommunikationsform hatte die Telefonie in ihren Anfangsjahren allerdings noch nicht allzu viel zu tun. Oft war der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung nur schwer zu verstehen, außerdem brauchte man, gemessen am heutigen Verbindungstempo, ziemliche Geduld. Denn jedes Gespräch ging zunächst über die Zentrale. In den Klappenschränken stöpselte das „Fräulein vom Amt“ (höhere Stimmen waren besser zu verstehen, deshalb arbeiteten dort nur Frauen) die Telefonleitungen zur gewünschten Verbindung zusammen.

1908 wurde das Ortsnetz-Selbstwählsystem eingeführt (erstmals in Europa in Hildesheim, in Plauen 1958). Die Fräuleins vom Amt hatten trotzdem noch einige Jahrzehnte einen sicheren Job. Denn Fernverbindungen mussten weiter von Hand gestöpselt werden (die erste automatische Fernvermittlungsstelle ging 1923 im oberbayerischen Weilheim in Betrieb), und einen ausländischen Gesprächspartner direkt anwählen (Lörrach – Basel) konnte man von (west)deutschem Boden aus zum ersten Mal im Februar 1955. PbK

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Die Spitzengeschichten werden Ihnen präsentiert vom Historikus Vogtland. >> zum Historikus Vogtland

Bild 1:
Fernsprecher der Stunde null: Bei der Erfindung Alexander Graham Bells (1847 – 1922) waren Sender und Empfänger dasselbe Teil. Es bestand aus einer biegsamen Metallmembran und einem Hufeisenmagneten. Die Sprache wurde über Schwankungen in der Stromstärke übertragen (prinzipiell funktioniert das Telefon heute noch so). Zum Telefonieren musste man die Muschel abwechselnd an Mund und Ohr halten. Foto: Early Office Museum

Bild 2:
Baureihe W 38: Siemens & Halske stellte diese Apparate ab 1938 her. Die Nummernwählscheibe ist eine Erfindung des Franzosen Antoine Barnay, die er sich 1923 patentieren ließ. Foto: PbK

 

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