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Spitzengeschichten
  • Sonntag, 29 Juli 2012, 01:05 Uhr | Lesezeit ca. 4 Min.

Der Professor aus Wernesgrün

Spitzengeschichte 27

Andreas SchubertDas 19. Jahrhundert eröffnete einen völlig neuen Weg: die Schiene. Plauens Textilherren, welche die Stadt zur Lokomotive Sächsischer Wirtschaft machten, hatten daran ein ganz besonderes Interesse. So ganz neu war die Schiene allerdings nicht, denn bereits im 16. Jahrhundert hatten Freiberger Bergleute, zum Fördern von Erz, schienengeführte Wagen eingesetzt. In England sind 1825 zum ersten Mal Personen auf einem Dampfwagenzug befördert worden und die Eröffnung der weltweit ersten, ständigen Bahnlinie zwischen Liverpool und Manchester, wurde 1830 auch in Deutschland als Sensation begeistert aufgenommen.

1833 veröffentlichte der Journalist Friedrich List auf der Grundlage von Erfahrungen, die er in Amerika gesammelt hatte, in Leipzig seine Schrift “Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden”. Der Eisenbahnbau als Mittel der wirtschaftlichen und politischen Einigung Deutschlands war damit erkannt. Johann Wolfgang Goethe hatte sich bereits 1828 wie folgt geäußert: “Mir ist nicht bange, daß Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das Ihrige thun. … Wenn man aber denkt, die Einheit Deutschlands bestehe darin, daß das sehr große Reich eine einzige große Residenz habe, und daß diese eine große Residenz wie zum Wohl der Entwickelung einzelner großer Talente, so auch zum Wohl der großen Masse des Volks gereiche, so ist man im Irrthum. (Goethe im Gespräch mit Eckermann)

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In der Schiffswerft Dresden-Uebigau wurde 1838 die erste deutsche Lokomotive, die SAXONIA, gebaut, welche am 9. April 1839 auf der ersten deutschen Fernstrecke zwischen Dresden und Leipzig (115 km) ihre Jungfernfahrt erlebte. Gebaut hatte sie ein Voigtländer. Anfang 1836 hatten sich in Leipzig, Altenburg, Bayreuth, Bamberg und natürlich auch in Plauen fast gleichzeitig Komitees gebildet, die den Bau einer sächsisch-bayrischen Eisenbahn bewirken wollten. Der für den Bau der Strecke Leipzig-Plauen-Nürnberg notwendige Staatsvertrag wurde 1841 geschlossen. Obwohl die vom Betrieb der Strecke Leipzig-Dresden erhofften Traumrenditen vorerst ausgeblieben waren, wurden bis zum Mai 4,5 Millionen Taler Aktienkapital für den Bau gezeichnet. Am 1. Juli begann die Realisierung des Vorhabens. Die Strecken von Leipzig bis Reichenbach und von Plauen bis zur bayrischen Grenze wurden fast schon »routinemäßig« angelegt, extrem schwierig hingegen die 25 Kilometer dazwischen. Die Berg-und-Tal-Landschaft des Voigtlandes galt für die Anlage einer Schienenbahn als höchst ungeeignet.

 Doch sächsische Ingenieurkunst kapituliert nicht, zumal in Plauen seit 600 Jahren eine steinerne Brücke stand, die zu den ältesten im transalpinen Europa gehört. Zwischen 1845 und 1851 wurden fünf Viadukte hochgezogen, die in ihrer Ziegelbauweise bis in die Gegenwart zu den technischen wie ästhetischen Spitzenleistungen europäischer Brückenbaukunst überhaupt zählen. So im Gleisdreieck Werdau-Zwickau das Römertalviadukt (225 Meter lang), das Viadukt Steinpleiß (126 m) und das Leubnitzviadukt (172 m). 1851 ist nach der feierlichen Einweihung der Göltzschtal- (547 m) und der Elstertalbrücke (279 m) die Eisenbahnstrecke Leipzig-Nürnberg komplett befahrbar. Letztere beiden, berechnet von J.A.Schubert, der schon die SAXONIA konstruiert hatte, wurden von König Friedrich August II. selbst und mit lateinischer Wunschformel geweiht. Der Elstertalbrücke wurde aufgetragen; “STANDO DISTANTIA JUNGAT” -feststehend, möge sie getrenntes verbinden-. Ab 15. Juli 1851 rollten täglich vier Personenzüge durch Plauen. Dessen Bahnhof lag allerdings zu jener Zeit noch weit oberhalb der Stadt. Der Voigtländer Johannes Andreas Schubert, als Sohn armer Bauern in einer Leipziger Pflegefamilie groß geworden, hatte sich auf ungezählten Reisen mit dem geltenden Stand des technischen Fortschritts vertraut gemacht. Die technische Vielseitigkeit Schuberts, der auch den ersten sächsischen Elbdampfer “Königin Maria” baute, nutzte der Technischen Bildungsanstalt Dresden außerordentlich. Schubert übernahm neben der Mechanik auch die Fächer Baukunde, Straßen- und Wasserbau und wurde zum ersten Vertreter des Bauingenieurwesens an der Vorgängereinrichtung der heutigen Technischen Universität Dresden.

Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)

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06.03.2009

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