Spitzengeschichte 40
Robert Zahn, Sohn eines 48er Revolutionärs, konnte und wollte mit dem Titel eines Stickmaschinenkönigs nichts anfangen. Von ihm hatte sich herum gesprochen, dass er sich, wenn Besuch aus dem Hause Wettin in der Vomag zu erwarten war, grundsätzlich auf Reisen begab. Damit verkörperte Zahn eine Souveränität, wie sie, in anderer Form, den Wirtschaftskapitänen Plauens seit Generationen zu eigen waren.
Die Elite der ersten fünf Generationen Plauener Politik und Wirtschaft waren Freimaurer. Hatte die erste Freimaurerloge Sachsens Graf Friedrich August von Rutkowski, Sohn August des Starken, bereits 1741 in Dresden begründet, so waren es zunächst sächsische Adlige und hohe Würdenträger, welche die Loge prägten. Im Kurfürstentum noch lange ein Geheimbund, lief das Freimaurertum im Reich bereits zur Blütezeit auf. Unter dem Schutz von Preußens König Friedrich II., der schon als Kronprinz Mitglied der Hamburger Loge ”Absalom” war, erwehrte es sich erfolgreich der Exkommunikation durch den Papst. Zur ersten Plauener Loge “Zu den drei Flammen” gehörten 1789 die Baumwollelite der Stadt, wie die Kaufleute Johann Christian Kanz, Johann Gottlieb Haussner und Johann Christian Baumgärtel. Bürgermeister der Stadt war Johann Gottlieb Facilides, es war die Geburtszeit der ersten Plauener Fabrik am Mühlgraben und mit dem “Intelligenzblatt” erschien im gleichen Jahr die erste Plauener Zeitung. Es war die zweite, gewaltige Aufbruchzeit in der Stadt der Tuch- und Schleiermacher nach der Blütezeit der Manufaktur. Doch selbst ein Mann wie der Stadtdiakonus Moritz Erdmann Engel (Engelstraße), der “über die Zeit der Zwingherrschaft Napoleons, dem “Voigtländischen Anzeiger” (gegr. 1804) für 42 Jahre vorstand”, vermochte es nicht, den Niedergang der Loge zu verhindern. Obzwar ohne Bestand, pflanzten ihre Mitglieder den Keim für kommende Bürgergenerationen. Bereits 1820 gehörten der neu gegründeten Loge “Pyramide” 45 angesehene Bürger der Stadt an.
Die Kraft, die von der Loge aus ging zeigt, dass ihr erster Meister vom Stuhl, Johann Leonhard Heubner (Heubnerstraße), im sechsten Jahr seiner Logenmeisterschaft Bürgermeister von Plauen wurde. Allein die Reihung ausgewählter Namen ihrer Logenmeister gibt den Blick für die Bedeutung der Freimaurerloge im Werden der Stadt Plauen frei. Franz August Mammen (Kaufmann), Hinrich Mammen (Kaufmann), Gustav Heubner (Kaufmann, als 48er Revolutionär zum Tode verurteilt), Friedrich Krause (Schuldirektor), Otto Tröger (Fabrikant) und Oberstudiendirektor Professor Albert Hempel. Mit den meisten dieser Namen verband Robert Zahn die Schlauheit, der Ehrgeiz und letztlich der Erfolg der Textilelite dieser Stadt, Zahn war ihr würdigster und erfolgreichster Erbe. Alle diese Männer einte eine tiefe Liebe zu ihrer Stadt, sie entwickelten im Laufe ihres Lebens alle einen hohen Grad der Verantwortung gegenüber ihren Bürgern (Tröger-Stiftung, für verarmte Kriegswitwen, Krause-Stift, für verwahrloste Kinder) und waren in ihrer Zeit Persönlichkeiten höchsten bürgerlichen Ansehens. In einem aber, unterschied sich Robert Zahn von allen.
Zahn war Wirtschaftskapitän und Kunstliebhaber wie sie, aber er war weder deutsch, noch monarchistisch, Zahn war Weltbürger. Deutsch, ja oft monarchistisch (außer Heubner), das waren die Plauener Freimaurer noch über den ersten Weltkrieg hinaus mit Eifer. Beleg dafür ist der Adler auf dem Rathausturm. So ist bis heute nicht klar, wie dieser auf die Spitze des Turmes flog, zeigen doch alle Bauzeichnung von Stadtbaurat Wilhelm Götte eine Wetterfahne. In glühender Rede aber, wurde von Plauens Oberbürgermeister bei der Einweihung des Turmes im Kriegsjahr 1916 seine Bedeutung als Deutscher Aar mit Blick gen Frankreich beschworen.
Freimaurer waren es auch, die nach den Zusammenbrüchen in Folge des ersten großen Krieges Plauen trotzig wieder auf die Beine brachten. So, wie der langjährige Vorsitzende des Fabrikantenschutzvereins Otto Tröger, der sich in internationalem Ansehen weit über Plauen hinaus, vehement für die Interessen der Plauener Industrie eingesetzt hatte; erfolgreich. Das Logenhaus an der Windmühlenstraße konnte mit dem Ende des Krieges den Zulauf neuer Brüder nicht mehr fassen und so gründete man im Jahr 1925 feierlich eine Tochterloge der Pyramide. Als man ihr am 28. Juni 1925, mittags um 12 Uhr, den sinnigen Namen “Zum Deutschen Glauben” gab, waren sich die um die Stadt verdienstvollsten Männer nicht darüber klar, dem nächsten, der den Plauenern den Himmel auf Erden versprach, eine Steilvorlage geliefert zu haben. Die Freimaurer wurden 1933 in Deutschland verboten, das Vermögen ihrer Logen beschlagnahmt und ihre Mitglieder auf Leib und Leben verfolgt.
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)