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Spitzengeschichten
  • Sonntag, 29 Juli 2012, 02:07 Uhr | Lesezeit ca. 7 Min.

Das König Albert Bad Plauen

Spitzengeschichte 11

Ein königlicher Fuß hat das Plauener Stadtbad nie betreten, obwohl es vom ersten Tag an den Namen des sächsischen Regenten Albert trug. Erst, zur ursprünglich geplanten Eröffnung am 23. August 1912, hätte der Monarch, auf dem Thron saß damals Alberts Neffe Friedrich August III., gekonnt. Das Programm einer Landesreise sah für diesen Tag „eine Besichtigung des neu erbauten König-Albert-Bades … in der Zeit zwischen 4 Uhr 5 Min und 5 Uhr nachmittags“ vor. Doch der Termin platzte wegen Bauverzögerung.

Dann, zur tatsächlichen Einweihung am 1. Oktober 1912, hatte „Seine Majestät … schon anderweitig disponiert“, wie der königliche Kämmerer, Generalleutnant von Criegern, dem Plauener Oberbürgermeister zu seinem Bedauern mitteilte.

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Etwas später begann der Krieg, Majestät hatte nun andere Sorgen, als eine städtische Badeanstalt mit seiner Anwesenheit zu beehren. Und schließlich, als 1918 die Waffen schwiegen, waren auch die Wettiner mit ihrer Monarchie am Ende.

Dass die prosperierende Stadt Plauen ein neues, weit großzügigeres Stadtbad brauchte, ging dem Stadtrat schon vor der Jahrhundertwende ein. Im Oktober 1897 beschlossen die Bürgervertreter, ein „Volksbad“ zu errichten – zu Ehren von 25 Regierungsjahren König Alberts.

Zu dieser Zeit konnte man sich dem öffentlichen Badevergnügen in Plauen schon hingeben, allerdings nur eine kleinere Zahl besser situierter Bürger. 1873 war von einer Aktiengesellschaft an der Theaterstraße ein erstes Stadtbad gebaut worden, mit einem Salonbad, acht Wannenbädern, einem Dampf- und Heißluftbad sowie einigen Moorbädern. Die Stadt erwarb das Gebäude 1879 und plante die Erweiterung um ein 16 Mal 9-Meter-Bassin, bis zu 2,3 Meter tief, und 71 Umkleidezellen. Der Plan blieb auf dem Papier, der Stadt fehlte das Geld, zudem stellten sich die Anwohner quer, weil sie eine zusätzliche Rauchbelästigung durch einen weiteren Schornstein befürchteten.

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König Albert Bad Plauen

Gediegenes Interieur: der Gang zu den Umkleidekabinen der Sauna. Hinten der Ruheraum, vorn rechts eine Personenwaage. Holztäfelung bestimmte auch sonst das Bild im Aufenthalts- und Umkleidebereich des Bades.

 

Aber gut Ding will Weile haben, auch damals schon. Von der Beschlussfassung, wie erwähnt 1897, bis zum ersten Spatenstich zogen noch geschlagene zwölf Jahre ins Land. Schon bis der Bauplatz bestimmt war, dauerte es. Vorgesehen war zunächst das Areal zwischen Bleich-, Färber- und Hofwiesenstraße. Im März 1907 entschied der Stadtrat jedoch, den Neubau auf der gegenüberliegenden Seite der Elster, dem unteren Anger, anzugehen. Das passte einer Gruppe von Bürgern nicht, die zum Teil Grundstücke in der Nachbarschaft des Bauplatzes besaßen und und um deren Wert bangten. Forsch schrieben die 44 Herren eine Beschwerde an die Kreishauptmannschaft Zwickau, um das Projekt noch abzuwenden. Doch die Eingabe hatten keinen Erfolg.

Vom Beschluss vergingen noch einmal zwei Jahre, bis das Kommunalparlament im April 1909 die nötigen Mittel, etwas über 1,5 Millionen Mark, locker machte. Vier Monate später endlich, am 30. August, lief die städtische Prominenz zum ersten Spatenstich am Elsterufer auf.

3.217 Quadratmeter sollte das Projekt groß werden, bestehend aus sechs Baugruppen: einem Männerschwimmbad, einem kleineren Frauenschwimmbad, Brause- und Wannenbädern, einem Sauna-Bad, dem Haupteingang mit Wirtschafts- und Betriebsräumen sowie dem Kesselhaus. Den Entwurf lieferte ein Beamter aus dem Rathaus, Stadtbauinspektor Arno Dolzig.

Der Bau des Jugendstil-Prunkstücks dauerte reichliche drei Jahre. Am 1. Oktober 1912 war das Werk, mit der bereits erwähnten Verzögerung, vollbracht. Die Einweihung wurde feierlich, auch ohne dass Majestät den imposanten Komplex persönlich in Augenschein nahm.

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Der neue Stolz der Plauener war, ganz wie es dem Geschmack der Zeit entsprach, mit allerlei Nippes ausgestattet. Die Wände der Eingangshalle verschönerten Sgrafittos, die Wasser, Frische und Reinheit symbolisierten, auch eine aus der griechischen Mythologie entliehene Quellennymphe musste als Motiv herhalten. Im fernen Hildesheim fand die Stadt einen Künstler, den Figurenmaler Oskar Popp, der fähig genug schien, das Werk in die Tat umzusetzen.

Durch bleiverglaste Fenster fiel das Tageslicht in die beiden Schwimmhallen (für Männer 24 mal 11, für Frauen 17,50 mal 8,70 Meter groß), die dreifarbig – olivgrün, weiß und rotbraun – gefliest waren. Auf den Emporen reihten sich die Umkleidekabinen aneinander, hoch über den Bassins schwang sich wuchtig die Tonnengewölbe-Decke. Wasserspeier ließen ständig frisches Wasser in die Becken plätschern, denn Chlorzusätze kannte man damals noch nicht, und die Herren der Schöpfung konnten in ihrer Halle von zwei Ein-Meter- und einem Drei-Meter-Sprungbrett Proben ihres Mutes geben.

 

Empfangshalle des König-Albert-Bades Plauen

Mondäner Eintritt: Die Empfangshalle des König-Albert-Bades war 122 Quadratmeter groß und 7,5 Meter hoch. Imposante Säulen schienen die großen Rundbögen zu stützen, über der Kasse hielt eine griechische Quellennymphe die Schale empor, um das göttliche Nass aus den Himmelswolken zu sammeln und es den beiden Genesungssuchenden zu ihren Füßen und allen anderen Lebewesen und Pflanzen zu spenden. 

Die Bevölkerung, auch aus der Umgebung, zeigte sich sofort angetan von der modernen Freizeiteinrichtung am Elsterufer. 1913 planschten und schwammen 275.458 Kinder, Frauen und Männer in den Becken. Durchschnittlich nutzte jeder Plauener Einwohner das Stadtbad 2,2-Mal.

Auch den Schwimmsport in der Stadt beflügelten die neuen Möglichkeiten ganz entscheidend. Noch im Eröffnungsjahr gründete sich der Plauener Schwimm-Verein 1912, andere Gemeinschaften kamen schnell hinzu. (Übrigens hatte auch der 1. VFC eine Schwimmabteilung, die sich 1916 als Schwimm-Verein Vogtland-Plauen e. V. verselbstständigte.)

In den 30er Jahren maßen Leistungsschwimmer und Wasserballer aus Deutschland, Frankreich, den USA und Ungarn im Plauener Stadtbad ihre Kräfte. Höhepunkte dieser Spitzenwettkämpfe waren die beiden Weltrekorde, die die Plauenerin Hanni Hölzner 1936 schwamm. Am 19. Februar schlug die aus Annaberg stammende Athletin über 100 Meter Brust in 1:23,4 min an, am 8. März stach sie über 200 Yards Brust mit 2:42,6 die gesamte Weltelite aus.

Die erfolgreichste Plauener Schwimmerin blieb Hanni Hölzner trotz dieser Superleistungen übrigens nicht. Dieses Prädikat erwarb viele Jahre später Kornelia Enders. Die gebürtige Spitzenstädterin, Jahrgang 1958, räumte in ihrer Laufbahn je viermal Gold und Silber bei Olympia ab, holte acht Weltmeistertitel und schwamm zehn Weltrekorde.

Als die Enders ihre größten Triumphe feierte, hatte das Plauener Stadtbad seine besten Zeiten schon lange, lange hinter sich. Der Niedergang kam über Nacht, in wenigen Augenblicken. Bomben der westalliierten Luftflotte richteten das Gebäude Anfang 1945 übel zu.

Die Plauener ließen ihr Bad aus der Ruine neu auferstehen, wenn auch nicht mehr ganz im Vorkriegsformat. Im September 1950 wurde das Haus wieder eröffnet. Eingangs- und Männerschwimmhalle, dazu 20 Wannen- und 25 Brausebäder, konnten instand gesetzt werden, das Frauenbad dagegen war nicht mehr zu retten gewesen.

1955 erhielt die Empfangshalle ihre künstlerische Note zurück, der Dresdener Maler Rudolf Fleischer verschönte die Wand gegenüber dem Stadtbad-Café mit frohgelaunten, anmutigen jungen Menschen. Das Café empfing im dem Jahr erstmals nach dem Krieg wieder Gäste, und ab Oktober 1956 konnten auch die medizinische Badeabteilung mit Dampfbad, Heißluftbad, Unterwassermassagen sowie Warte- und Ruheräumen in Betrieb genommen werden.

Viele Plauener konnten die Wiedereröffnung des Stadtbades kaum erwarten. Schwimmen war ein weit verbreitetes Hobby, und ansonsten hatte man nicht so viele Vergnügungen bei dem bescheidenen Lebensstandard der 50er Jahre. Vor allem an Sonnabenden, wenn durchschnittlich 1.500 Menschen kamen, stieß die Kapazität der Wasserfläche deutlich an ihre Grenzen. In der Gesundheitsabteilung hatte das Personal bei monatlich 4.500 medizinischen Bädern auch sehr gut zu tun.

 

König-Albert-Bad Plauen

Stolz der Stadt: das 1912 eröffnete König-Albert-Bad. Zur Elsterbrücke hin stand das Damenbad, das nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut wurde. 

Zu DDR-Zeiten war das Stadtbad immer gut besucht. Zig Schülerjahrgänge lernten hier ihre ersten Schwimmzüge, bis in die 80er Jahre fanden nationale und internationale Schwimmwettkämpfe statt.

Die dauerhaft volle Auslastung des Bades verschlang Ressourcen, die für die Planwirtschaft kein Pappenstiel waren. Im Jahr 1972 zum Beispiel stieg der Qualm von 16.000 verfeuerten Tonnen Braunkohlebriketts durch den Schornstein des Heizhauses, Wasser verbrauchte das Stadtbad etwa 70.000 Kubikmeter.

Nach der Wende, als es plötzlich scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten gab, seine Freizeit zu verbringen, blieben die Plauener ihrem historischen Hallenbad treu, wenn auch nicht mehr ganz so eifrig. Im neuen Jahrtausend begann dem alten Haus dann jedoch so langsam aber sicher die Puste auszugehen: Zwischen Juli 2000 und September 2002 blieb es wegen beabsichtigter Rekonstruktion geschlossen, Anfang 2005 wurde es endgültig dichtgemacht.

Nicht für immer, wie wir wissen. Im Februar 2007 begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Plauener Stadtbades. In der Kombination von Tradition und Moderne ist den Planern sicher keine schlechte Variante gelungen. (PbK)

Fotos: Stadtarchiv Plauen

Die Spitzengeschichten werden Ihnen präsentiert vom Historikus Vogtland. >> zum Historikus Vogtland

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