- Montag, 28 Dezember 2020, 18:35 Uhr | Lesezeit ca. 10 Min.
Ein Herz für Plauen: 30 Jahre WbG Plauen
Vom Verwalter zum kundenorientierten Dienstleister
Als 1990 die WbG gegründet wurde, galt Wohnraum noch als Mangelware. Gerade Wohnungen in den Neubausiedlungen waren überaus begehrt, verfügten sie doch über den „Luxus“ von Fernwärmeheizung und Warmwasserversorgung. Aber auch für weniger komfortable Wohnungen mit Ofenheizung und Plumpsklo auf der halben Etage gab es Wartelisten. Bis Mitte der 1990er Jahre erfolgte die Wohnungsvermietung auf Antrag über die Wohnvergabestelle im Rathaus und längst nicht jedes Umzugsgesuch konnte berücksichtigt werden.
Mieses Image als Erbe
Auch auf Grund ihrer Wurzeln im VEB Gebäudewirtschaft haftete der WbG noch lange Zeit das Image des unflexiblen, bürokratischen Verwalters an. Spätestens ab Mitte der 1990er Jahre aber kämpfte man entschlossen gegen diesen Eindruck an. Ab 1995 beispielsweise setzte die WbG Spezialisten bei der Leerwohnungsbearbeitung ein. Dass jede Wohnung vor der Neuvermietung zunächst saniert werden sollte, war zu dieser Zeit ein absolutes Novum. Ein Jahr später sollte zur Verbesserung des Kundendienstes jeder Mieter seinen festen Ansprechpartner erhalten – die Geburtsstunde der Abteilung „Hausverwaltung“. Die 19 Hausverwalter kümmerten sich fortan um Abschlüsse und Kündigungen von Mietverträgen, führten Wohnungsbegehungen und -abnahmen durch, buchten sämtliche Zahlungen, rechneten die Betriebskosten ab, bearbeiteten Mieterbeschwerden und hatten stets ein Auge auf Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit in den von ihnen betreuten Häusern.
Umschwung am Wohnungsmarkt in Plauen
Spätestens ab 1997 machte sich ein grundlegender Um-schwung am Wohnungsmarkt bemerkbar. Aus dem einstigen Wohnungsmangel war aufgrund des anhaltenden Bevölkerungsrückgangs in der Spitzenstadt ein Überangebot an Wohnraum geworden. Vor allem die einst so gefragten Neubauwohnungen im Chrieschwitzer Hang oder im Mammengebiet wurden plötzlich zum Ladenhüter. Neue Wege in der Vermarktung waren gefragt. Ende 1996 wurde beispielsweise der erste Tag der offenen Wohnungstür veranstaltet. Nach der umfassenden Komplettsanierung der Dittesstraße 33 wurden für die Wohnungen neue Mieter gesucht. Man erkannte, dass man sich fortan mehr ins Zeug legen musste, um neue Mieter für die Wohnungen zu gewinnen. Dazu gehörten unter anderem auch neue, kundenfreundlichere Öffnungszeiten. Diese wurden übrigens nicht einfach vom Schreibtisch aus festgelegt, sondern man stellte drei Varianten in der Mieterzeitung zur Abstimmung. Langsam entwickelte sich die Vermarktung und Vermittlung freier Wohnungen zu einem separaten Geschäftsbereich und bald kümmerten sich 3 Kolleginnen ausschließlich um Wohnungssuchende und die Neuvermietung.
Der nächste Meilenstein in Richtung mehr Mieterorientierung wurde 1998 gesetzt. Sogenannte technische Hausverwalter fungierten fortan als kompetente Ansprechpartner für die Mieter bei technischen und funktionellen Problemen in der Wohnung, im Haus oder im Wohnumfeld. Sie arbeiteten eng mit den bisherigen Hausverwaltern zusammen und organisierten und koordinierten Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen.
Mieterorientierung als Erfolgsrezept
Trotz aller Bemühungen konnte der rasante Anstieg des Leerstands damit nicht aufgehalten werden. Zur Jahrtausendwende war mehr als jede fünf-te Wohnung unbewohnt – eine existenzbedrohliche Situation für die WbG. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, suchte man weiter nach Möglichkeiten neue Wohnungssuchende zu gewinnen. Die Service-Hotline 703-161 wurde ins Leben gerufen. Umzugswillige konnten so schnell und unbürokratisch ihr Mietgesuch aufgeben und wurden umgehend mit passenden Angeboten versorgt. Ab 2001 war die Wohnungssuche sogar online möglich, denn die Website www.wbg-plauen.de ging ans Netz.
Mit großen Anstrengungen, viel Ideenreichtum und auch einigen schmerz-haften Einschnitten gelang es der WbG als größtes Wohnungsunternehmen des Vogtlandes wirtschaftliche Stabilität zu erlangen und den Leerstand auf durchschnittlich 8% zu senken. Ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor dabei waren und sind die Mieter. Viele halten ihrer Wohnung und der WbG schon seit vielen Jahren die Treue. Durchschnittlich 14 Jahre 2 Monate und 11 Tage wird in einer WbG-Wohnung gewohnt. Die treuesten WbG-Mieter haben schon seit über 65 Jahren keinen Umzugskarton mehr gepackt.
Schlüsselrolle bei der Plauener Altstadtsanierung
Als kommunales Wohnungsunternehmen erfüllt die WbG für die Stadt Plauen die öffentliche Daseinsvorsorge. Das heißt es ist die originäre Aufgabe der WbG ordentlichen, bezahl-baren Wohnraum für alle Einwohner Plauens anzubieten – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder Kultur. Darüberhinaus übernimmt die WbG immer wieder auch wichtige städtebauliche Aufgaben. Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Spitzenstadt konnte zu DDR-Zeiten nicht wieder aufgebaut werden. Gerade in der historischen Altstadt klafften auch nach der Wende viele kriegsbedingte Baulücken und selbst Häuser, die vom Bombenhagel verschont blieben, waren nach jahrzehntelanger Mangelwirtschaft teilweise in einem jämmerlichen Zustand.
Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre brachte sich die WbG verstärkt in die Sanierung der Alt-stadt ein. Einen markanten Meilenstein markierte da die Grundsteinlegung im April 1997 für den Neubau des Wohn- und Geschäftshauses im Oberen Steinweg 3/5, mit dem eine unansehnliche Baulücke geschlossen wurde. Nach den großen Sanierungs-projekten von ganzen Wohngebieten in den vorangegangenen Jahren, wollte man nun Flagge zeigen und städtebauliche Akzente setzen. Der erste Neubau der WbG in der Plauener Altstadt wurde im Eiltempo in nur 9 Monaten Bauzeit fertig gestellt. Kurz darauf folgte 1998 die zeit- und geldaufwendige Sanierung der Häuser Nobelstraße 17 und Straßberger Straße 14. Beide Häuser stehen auf der Liste der Plauener Kulturdenkmäler und stellten die Projektplaner vor so einige Herausforderungen. Vor allem die Immobilie an der Straßberger Straße forderte die gesamte Expertise der Fachleute. 1615 erbaut gehört es zu den ältesten Häusern in Plauen. Seit den 1980er Jahren stand das Haus wegen akuter Baufälligkeit leer. Ein Investor, der sich diesem Mammutprojekt annehmen konnte und wollte, war nicht in Sicht. Auf Geheiß der Stadt erwarb die WbG 1997 die heruntergekommene Ruine, um im Herzen der Altstadt ein Kleinod zu schaffen. Der Schwamm hatte sich tief ins Mauerwerk gefressen, so dass die erste und zweite Etage komplett erneuert werden mussten. Um den historischen Charakter des Hauses zu wahren, deckte man das Dach mit Schiefer, versah die Fenster mit Faschen und setzte im Erdgeschoss – das traditionelle Zuhause der legendären Gastwirtschaft „Goldener Löwe“ – Bleiglas ein.
Absolutes Schmuckstück jedoch ist das Kreuzgewölbe, welches aufwendig restauriert wurde. Seitdem kann im Goldenen Löwen wieder in geselliger Runde gespeist werden. Ebenfalls saniert und in seinem Erscheinungsbild den umliegenden historischen Gebäude angepasst wurde das Haus am Klostermarkt 5.Zur Jahrtausendwende legte die WbG ihr Augenmerk verstärkt auf den Bereich am Tunnel. 1999 hat die Stadt Plauen das Ge-bäude der Theaterintendanz an die WbG mit der Auflage der äußerlichen Sanierung übertragen. Rund eine Million Mark investierte die WbG in den Aus- und Umbau der Theaterintendanz einschließlich des Theatercafés. Nur einen Steinwurf entfernt stellte die WbG ab 2000 ebenfalls die Baugerüste auf. Das Haus am Postplatz 7 besaß bis dato nicht einmal ein eigenes Treppenhaus. Nach der umfassenden Sanierung be-zog das Regionalbüro der Freien Presse die ersten drei Etagen des Hauses. Bis heute ist es das Zuhause der auflagenstärksten Tageszeitung im Vogtland. Im Dachgeschoss entstanden außerdem zwei Wohnungen.
2002 schließlich konzentrierte man sich wieder mehr auf den Bereich um den Altmarkt. Noch immer störte die ein oder andere Baulücke oder baufällige Ruine das Gesamterscheinungsbild der Plauener Altstadt. Am Altmarkt 7 investierte die WbG Plauen mehr als 660.000 Euro in den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses. Während im Erdgeschoss Platz für die Werkstatt mit Verkauf von Goldschmiedemeisterin Bianca Hallebach geschaffen wurde, entstanden in den drei darüberliegenden Etagen jeweils eine 3-Raumwohnung mit Balkon. Im Dachgeschoss fand gar eine 4-Raum-Maisonettewohnung Platz.
Schmuckstück Markstraße 9
Ihr Meisterstück in Sachen Plauener Altstadtsanierung aber lieferte die WbG mit dem Neubau der Markstraße 9. Über viele Jahre hinweg war für die unansehnliche Baulücke vergeblich ein Inves-tor gesucht wurden. Schließlich betraute die Stadt als Eigentümerin des Grundstückes die WbG mit dieser wirtschaftlichen und planerischen Herausforderung. 2010 erfolgte die Grundsteinlegung. Zur feierlichen Eröffnung rund zwei Jahre später ließ sich die Bedeutung des Projekts auch an der hochrangigen Gästeliste ablesen. Der damalige Sächsische Innenminister Markus Ulbig besichtigte als einer der ersten die Räumlichkeiten des generationenübergreifenden, betreuten Wohnens, zu denen 28 barrierefreie Wohnungen gehören. Im Erdgeschoss hingegen hat seither eine beliebte Plauener Lokalität ihr Zuhause gefunden. Bäckermeister Rico Wagner verwirklichte hier mit seinem Kaffeehaus Müller einen langgehegten Traum.
Zahlen und Fakten aus 30 Jahren WbG Plauen
15.198 Wohnungen wies die WbG in ihrer ersten Bilanz zum 31.12.1990 als ihr Eigentum aus. Um den sinkenden Bevölkerungszahlen der Stadt Plauen und den wirtschaftlichen Herausforderungen Rechnung zu tragen, halbierte man in den kommenden 30 Jahren den Wohnungsbestand der WbG. Mit der Schaffung von Wohneigentum, Verkauf an Wettbewerber, Rückbaumaßnahmen, Umnutzungen und auch Wohnungszusammenlegungen sicherte man die Liquidität und wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens.
Modernisierungsoffensive: Das Erbe der DDR-Mangelwirtschaft war ein immenser Instandhaltungsstau. Ab 1992 startete die WbG mit einer großen Modernisierungsoffensive. Allein in den kommenden 5 Jahren investierte der Großvermieter 265 Mio. DM in die Modernisierung ihrer Bestände. Darunter waren auch Großprojekte wie die um-fassende Sanierung der 230 WbG-Wohnungen im Dörffelgebiet. Heute unvorstellbar: während der umfassenden Bauarbeiten, die auch mit viel Lärm und Schmutz verbunden waren, blieben die Mieter in ihren Wohnungen.
1.617 Wohnungen hat die WbG seit ihrer Gründung durch Abriss vom Markt genommen. Einige davon in unsanierten Altbauten, die in einem derart desolaten Zustand waren, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht möglich war. Der Großteil der rückgebauten Wohnungen aber befand sich in den klassischen Plattenbaugebieten Chrieschwitzer Hang und Mammengebiet. Das Jahr mit den zahlenmäßig meisten Rückbauaktivitäten war 2005. Allein in diesem Jahr riss die WbG 417 Wohnungen ab.
Kampf der Parkplatznot: In den 1990er Jahren stieg die Anzahl der zugelassenen PKW sprunghaft an. Die Wohngebiete waren darauf nicht ausgerichtet und so ging man bei der WbG neue Wege um der wachsenden Fahrzeugschar ausreichend Stellplätze zur Verfügung zu stellen. 1995 wurde ein 2-geschossiges Parkhaus mit 170 Stellplätzen am Friesenweg gebaut, das direkt nach Inbetriebnahme restlos ausgebucht war. In den kommenden Jahren folgte eine Erweiterung des Parkdecks und weitere Parkhäuser auch in anderen Wohngebieten. Größter Hingucker: das Parkpaternoster am Giebel der Dr.-Karl-Gelbke-Straße 28. Ein landesweites Novum – konnte sich aber auf Dauer aufgrund der hohen Betriebskosten und immensen Instandhaltungsaufwendungen nicht bewähren.
Leerstand war zu Beginn des neues Jahrtausends eines der beherrschenden Themen für die WbG. Mit den sinkenden Einwohnerzahlen in der Spitzenstadt wurden natürlich auch immer weniger Wohnungen benötigt. Die einst so beliebten Neubauwohnungen im Chrieschwitzer Hang oder im Mammengebiet bekamen zunehmend ein Imageproblem und avencierten zu Ladenhütern. Auf bis zu 23,5% kletterte die Leerstandsquote bei der WbG.
Ein eigener Balkon steht bei vielen ganz oben auf der Wunschliste. Ab 2002 begann die WbG ihren Mietern diesen Wunsch schrittweise zu erfüllen. Seitdem wurden rund 2000 Balkone nachgerüstet. Bis zu 35 Euro mehr Miete zahlen aktuell die Bewohner monatlich für ihren Freisitz.
460 Mio. Euro hat die WbG seit ihrer Gründung in ihre Wohnungen, Häuser und das Wohnumfeld investiert. So hat sie ihre Bestände nicht nur fit für die Zukunft gemacht, sondern ist auch ein wichtiger Wirtschaftsmotor der Region.
52,8 Jahre: So alt ist der durchschnittliche Bewohner einer WbG-Wohnung. Im See-haus-Gebiet ist der Altersdurchschnitt mit 66 Jahren bei den WbG-Mietern übrigens am höchsten. Gut 20 Jahre jünger geht es hingegen im Dörffelgebiet zu. Zahlreiche Familien haben dort ihr Zuhause gefunden und die Kinder drücken den Altersdurchschnitt.
Jeder 6. Plauener wohnt in einer Wohnung der WbG. Damit gibt die WbG fast 11.000 Menschen ein Zuhause zum Wohlfühlen. (fotos: mar, text: mar/wbg)
2020-12-01