- Donnerstag, 27 Januar 2022, 14:59 Uhr | Lesezeit ca. 3 Min.
IHKs in Sachsen warnen vor zu schneller Anhebung des Mindestlohns
Unternehmen befürchten Preissteigerungen, Reduzierung des Personalbestands und Wegfall von Sonderleistungen
Zum Jahresbeginn 2022 ist der gesetzliche Mindestlohn nach den Beschlüssen der Mindestlohnkommission planmäßig von 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen. Abweichend von der bewährten Verfahrensweise, die Höhe der Lohnuntergrenze regelmäßig von einem staatlich unabhängigen Expertengremium überprüfen zu lassen, will die neue Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag den Mindestlohn in einem Schritt auf 12,- Euro anheben.
Vor dem Hintergrund massiver Kostensteigerungen bei Rohstoffen, Material, Teilen, Energie und Logistikleistungen mehren sich die Stimmen aus der Unternehmerschaft, dass bei einer zusätzlichen und kurzfristigen Anhebung des Mindestlohns auf 12,- Euro die Belastungsgrenze erreicht, teils überschritten würde. Um die Betroffenheit der Unternehmen in Sachsen, und mögliche Folgen zu ermitteln, haben die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) die in ihren Vollversammlungen und Fachausschüssen engagierten Unternehmen befragt. 267 Betriebe aus allen Wirtschaftsbereichen haben den Kammern geantwortet.
Der Anteil der direkt von einer Mindestlohnerhöhung auf 12,- Euro betroffenen Beschäftigten variiert bei den Befragten erwartungsgemäß stark nach Wirtschaftsbereichen. Die Spanne reicht dabei von 17 % der Stellen in den Unternehmen des Produzierenden- und des Baugewerbes, über 23 % in den Dienstleistungsbereichen, bis zu 26 % in Handel, Verkehr und Gastgewerbe. Bei den Dienstleistern verzeichnet das Finanz- und Versicherungswesen die geringste Betroffenheit, personenbezogene Dienstleistungen die höchste.
Aus den Unternehmensantworten zu prognostizierten Folgen einer sofortigen Mindestlohnerhöhung auf 12,- Euro kristallisieren sich betriebswirtschaftliche und personalwirtschaftliche Schwerpunkte heraus: So gehen mehr als die Hälfte der Unternehmen (58 %) davon aus, die Preise für ihre Produkte und Leistungen erhöhen zu müssen, wobei 42 % die Kostensteigerungen voraussichtlich nicht auf ihre Kunden werden umlegen können. Die daraus resultierende Ertragsminderung reduziert wiederum die Spielräume für Investitionen.
Um einen Lohnabstand zu den höheren Einkommensgruppen zu gewährleisten und so mögliche Konflikte in der Belegschaft auszuschließen, gaben 45 % der Unternehmen an, weitere Lohnanpassungen vornehmen zu müssen. Ein weiteres Viertel (26 %) schätzt hingegen ein, nicht über die dafür erforderlichen finanziellen Möglichkeiten zu verfügen und lediglich die Einkommen für die direkt betroffenen Arbeitsplätze erhöhen zu können. Über alle Branchen hinweg gehen die befragten Unternehmen von einer Erhöhung ihrer Personalkosten um 20 bis 25 % aus, was mittelfristig zu einer Reduzierung des Personalbestandes führen könnte, mindestens aber zu einer Zurückhaltung bei Neueinstellungen, wie von 31 % geäußert. 17 % der Befragten gehen sogar davon aus, Mitarbeiter entlassen zu müssen.
Als probates Mittel zur Dämpfung der Kostensteigerung wurde zudem auf Arbeitszeitreduzierung, die Umwandlung von festen in pauschale Arbeitsverhältnisse, die Reduzierung von Praktika und Umschulungen sowie den Wegfall von Sonderleistungen wie Umsatzprämien, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verwiesen. In der Gesamtbewertung der prognostizierten Folgen sehen 6 % der Befragten den Fortbestand ihres Unternehmens in Gefahr.
Aus Sicht der sächsischen IHKs sprechen die Umfrageergebnisse eine deutliche Sprache und sollten der Bundesregierung ein Alarmsignal sein. Die Kammern plädieren daher für eine bedachte und stufenweise Steigerung über die Legislaturperiode hinweg.