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Plauen Nachrichten
  • Freitag, 24 September 2010, 23:12 Uhr | Lesezeit ca. 31 Min.

Stadtplaketten 2010 an fünf Plauener vergeben

Auszeichnung wird seit 1996 vergeben

  240910 Stadtplakette In Plauen sind am Donnerstag im Festsaal des Vogtlandkonservatoriums „Clara Wieck“ die Stadtplaketten von Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer an fünf verdienstvolle Plauener überreicht worden. Ausgezeichnet wurden 2010 Beate Schad für ihre Verdienste rund um die Plauener Spitze und Stickerei, Siegmar Kelz für sein Engagement für Straßberg, Dr. Klausdieter Roth als Wegbereiter der Theater-Fusion und seine Verdienste um das Theater, Günter Weis, bekannt aus dem Schwimmsport, und Jörg Schneider, der den Aufruf zur Demo 1989 auf seiner orangefarbenen Schreibmaschine tippte.

Anfang des Jahres reichten die Fraktionen ihre begründeten Vorschläge ein, nach Vorberatung in den Ausschüssen hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 24. Juni schließlich die entsprechenden Beschlüsse gefasst. Alle fünf Vorschläge wurden angenommen. Die Stadtplakette wird seit 1996 verliehen. Insgesamt haben bislang 35 Bürger eine hohe Auszeichnung – darin eingeschlossen auch die Ehrenbürgerschaft – erhalten. In diesem Jahr wächst die Zahl der Geehrten auf 40. Persönlichkeiten, die sich in besonderem Maße um die Entwicklung der Stadt Plauen, deren Ansehen oder das Wohl ihrer Bürger verdient gemacht haben oder dafür tätig gewesen sind, kann die Stadtplakette der Stadt Plauen verliehen werden.

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Die Laudationes:

Beate Schad
Laudator: Wolfgang Hinz, Fraktionsvorsitzender Die Linke.

Eine kleine, sympathische Frau hat sich eines Teils der wirtschaftlichen Geschichte Plauens gewidmet, Beate Schad. Sie wollen wir heute ehren für ihre Aktivitäten um die Bewertung und Bearbeitung der Geschichte der Plauener Spitze. Frau Schad ist die Leiterin der Plauener Schaustickerei.

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Eigentlich hat die Mutter von zwei Kindern einen ganz anders gearteten Beruf, sie kommt nicht aus der Textilbranche. Beate Schad ist Lehrerin. Gerne unterrichtete sie in den Fächern Russisch und Geschichte und brachte den Kindern eine Fremdsprache und die Herkunft der Menschheit bei. Auf Grund der beruflichen Tätigkeit ihres Mannes lehrte sie an verschiedenen Schulen. 1984 wurde sie Plauenerin und begann eine Tätigkeit als Mitarbeiterin des Vogtlandmuseums. Schnell fand sie Gefallen an der einheimischen Textilindustrie, besonders an der Spitze. Seit dem Jahr 1992 arbeitete sie zunächst als Beschäftigte der ABS-Textil. Seit dem Sommer 1997 ist sie erfolgreiche Leiterin der Schaustickerei und seit 2004 Angestellte des Vereins Vogtländische Textilgeschichte e.V., der Träger dieser musealen Einrichtung ist.

Schon seit 1988 trug sie sich mit dem Gedanken, eine Sammlung zur regionalen Textilindustrie aufzubauen. Dieser Gedanke verfestigte sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen 1990/91 immer mehr. Unterstützt wurden ihre Vorstellungen mit dem Wunsch, in der Stadt Plauen ein Textilmuseum einzurichten. Dort sollte, so waren die Vorstellungen, ein „lebendiges“ Museum mit produzierenden Maschinen entstehen. Maschinen standen Anfang der 90iger Jahre ausreichend zur Verfügung, um die Vielfalt der vogtländischen Spitzenindustrie darstellen zu können. Das Projekt hatte eine zweite positive Seite, mit dem Aufbau eines Museums konnten zur Verschrottung vorgesehene Maschinen gerettet werden.Das Textilmuseum wurde Bestandteil der langfristigen Kulturkonzeption unserer Stadt. Anfangs sahen sich das Vogtlandmuseum in der Verantwortung Maschinen zu sammeln und zu erhalten. In dieser Zeit gründete Frau Schad zur Unterstützung dieses Vorhabens mit mehreren Mitstreitern den „Verein Vogtländis ches Textilmuseum Plauen e.V.“ Sie wurde zur ersten Vereinsvorsitzenden gewählt, war zeitweise Schriftführer und Stellvertreterin und übt seit 2008 wieder die Funktion als Vorsitzende aus. An ihrer Seite fanden sich schnell Menschen aus den früheren Plauener Textilbetrieben ein und unterstützten sie.

Die enge Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsfürhung der ABS-Textil, besonders mit Herrn Thoß, und dem Förderverein führte schließlich dazu, eine Schaustickerei im Obstgartenweg 1 einzurichten. Die Jahre vergingen und Frau Schad arbeitete emsig an ihrem Vorhaben. Am 14. Juni 1997 war es dann soweit und der damalige Oberbürgermeister Dr. Magerkord konnte die Schaustickerei eröffnen.

Die Idee eines umfassenden Textilmuseums geriet mehr und mehr in den Hintergrund, auch, weil sich in der Region außer der Spitzenproduktion nur noch wenig Textilindustrie befand. Frau Schad und der Verein orientierten sich verstärkt in Richtung der Darstellung der Geschichte der Spitzenindustrie. Damit sollte der Bekanntheitsgrad der Stadt Plauen und der Plauener Spitze erhöht werden. Nicht zu unterschätzen waren der Wunsch und das Anliegen, etwas für den Tourismus der Stadt zu tun.

Heute kann man sagen, diese Ideen haben sich verwirklicht. Jährlich besuchen 7000 bis 8000 Personen die Schaustickerei. Viele Arbeitslose erhalten hier die Möglichkeit zur Wiederbeschäftigung, und auch Vereinsmitglieder sind mit aktiv. Neben der Möglichkeit zur Besichtigung der vorhandenen Ausstellungsgegenstände und Maschinen, wie Stickereimaschinen und Zubehör, kann sich der Besucher auch aktiv mit einbringen. Ab diesem Jahr kann sich jeder sein im Museum erworbenes Wissen auch mit einem Spitzenzertifikat oder einem Spitzendiplom bestätigen lassen.

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Besonders spannend wird es, wenn ehemalige Spitzenarbeiter in den Obstgartenweg kommen und ihre früheren Arbeitsgeräte betrachten. Da kommen Erinnerungen auf, es werden Gespräche geführt und aus einem geplanten Besuch wird ein längerer Aufenthalt. Und immer zwischendrin: Beate Schad. Das 1998 gegründete Informations- und Designzentrum (IDZ), das ebenso wie das Spitzenmuseum im Alten Rathaus untergebracht ist, ist ein „Kind“ von Beate Schad. Dort befindet sich ein digital aufbereiteter Musterfundus für die Spitzenindustrie, um den viele Spitzenstandorte Plauen beneiden und der besonders in Sachsen hohe Anerkennung findet.

In der Schaustickerei finden jährlich mehrmonatliche Sonderausstellungen statt, inzwischen sind es schon zwölf. Ob es 1999 das „Waschfest im Wandel der Zeiten“ war, oder 2002 die Ausstellung „Körperhüllen“ die sich mit der regionalen Bekleidungsherstellung beschäftigt, stets fanden diese Ausstellungen ihre Besucher. Auch die diesjährige Ausstellung „Auf die Spitze getrieben“, zu deren Eröffnung viele Plauener kamen, fand ihre Gäste. Frau Schad ist auch unter die Buchautoren gegangen. Gemeinsam mit anderen schuf sie in der Reihe „Plauener Miniaturbücher“ einen Band zur Plauener Spitze. Gemeinsam mit Lehrern und Schülerinnen organisiert sie Modenschauen und betreibt Museumspädagogik. Sie ist auch international aktiv, aber das aufzuzählen würde den Rahmen überspannen.

Blättert man im Gästebuch der Schaustickerei, so findet man Einträge von Besuchern aller Kontinente dieser Welt. Auch die Schriftzüge von mehreren sächsischen Ministern sind zu erkennen. Die Schaustickerei ist von Plauen nicht mehr wegzudenken. Ein Verdienst der Leitung und besonders ein Verdienst von Beate Schad, deshalb erhält sie heute die Stadtplakette. Es ist erstaunlich, mit welcher Liebe und Hingabe sich eine Dresdenerin für ihre Wahlheimat Plauen und deren Spitzenindustrie einsetzt.

Siegmar Kelz
Laudator: Dieter Blechschmidt, Stadtrat der CDU-Frakion

Sehr geehrter Herr Kelz, lieber Siegmar, sehr geehrte Gäste, heute, am 23. September 2010, ehren wir Herrn Siegmar Kelz für sein Lebenswerk, für sein lebenslanges Wirken für seine Mitmenschen, für sein Umfeld, für unsere Stadt und für unsere Umwelt.

Vor 75 Jahren, am 22. Mai 1935 wurde Siegmar Kelz in Kürbitz geboren. Seit 1947 lebt er in Straßberg. Dort betrieben sein Großvater und später sein Vater einen kleinen Bauernhof. Sowohl die Landwirtschaft als auch der Ort Straßberg sollten prägend für sein weiteres Leben werden. Siegmar Kelz erlernte den Beruf des Landwirts „von der Pike auf“ und schloss die Ausbildung mit einem Fachschulabschluss für Landwirtschaft 1963 ab. Er wurde Vorsitzender der LPG „Weiße Elster“, die er auch nach dem Zusammenschluss mit der LPG Kürbitz 1972 sehr erfolgreich leitete.

Bereits zu dieser Zeit wurde sein ständiger Drang, Dinge in eine positive Richtung zum Nutzen aller zu bewegen, deutlich. Er brachte zahlreiche Vorhaben, wie einen Stallneubau unter den damaligen schwierigen Bedingungen erfolgreich voran. Im Gemeinderat Straßberg setze sich Siegmar Kelz bereits vor der politischen Wende von 1989 aktiv als Mitglied der Bauernpartei konsequent und manchmal auch gegen die vorherrschenden Meinungen für die Interessen aller Straßberger ein. Durch fachlich fundierte und auch hartnäckige Argumentationen erreichte er viel und erwarb sich das Vertrauen der Menschen. Wort und Tat bildeten stets eine Einheit.

Gerade wegen seiner geradlinigen und pragmatischen Art erhielt Siegmar Kelz 1990 das Vertrauen als erster demokratisch gewählter Bürgermeister Straßbergs nach zwei Diktaturen. Die Aufbruchsstimmung dieser Zeit sowohl im Engagement der Bürger als auch begleitet durch Fördermöglichkeiten ließen durch den Einsatz von Siegmar Kelz in Straßberg eine Vielzahl von Vorhaben Realität werden. Dazu zählen Infrastrukturmaßnahmen wie -Wasser- und Abwasserleitungsbau, -Straßenbau, -Rekonstruktion der Turnhalle und des Sportplatzes, -Erschließung von Eigenheimgebieten, -ländlicher Wegebau -sowie der Umbau des Gemeindeamtes auch zum Bürgerhaus welches sich in der Nutzung und Vermietung bis heute großer Beliebtheit erfreut. Die äußerst positive Entwicklung Straßbergs bis zur Eingemeindung nach Plauen 1999 und die Entfaltung eines aktiven Vereins- und Gemeindelebens sind somit aufs Engste mit Siegmar Kelz verbunden.

In den Eingemeindungsverhandlungen mit Plauen vertrat Siegmar Kelz klar die Interessen Straßbergs, erkannte aber auch deutlich die Zeichen der Zeit, die eine Selbstständigkeit auf Dauer ausschlossen. Im Ergebnis wurde ein Eingemeindungsvertrag geschlossen, der zahlreiche Übergangsregelungen enthielt und bis heute zum Beispiel durch die Ortschaftsratsmittel positiv wirkt. Mit der Überführung der Turnhalle in den Besitz der Sportgemeinschaft und durch das kooperative Betreibermodell von Jugendklub und Heimatverein wurden für ganz Plauen beispielhaft Lösungen gefunden, die bis heute hervorragend funktionieren.

Zur Eingemeindung am 1. Januar 2000 konnte die Stadt Plauen dank des Wirkens von Siegmar Kelz einen Ortsteil mit geordneten Finanzen, geringem Schuldenstand, sanierten Straßen und intakter Infrastruktur und vor allem einer aktiven Bevölkerung übernehmen. Bis 2001 war Herr Kelz danach Ortschaftsratsvorsitzender und zog sich dann aus der direkten politischen Arbeit zurück – auch ganz bewusst, um jüngeren Menschen eine Chance zu geben. Trotzdem steht er mit seinen Erfahrungen dem Ortsteil Straßberg immer zur Verfügung und begleitete u.a. die Neugestaltung des Dorfangers und den Bau des Haltepunktes Straßberg. Herr Kelz ist zurzeit 2. Vorsitzender des von ihm gegründeten Heimatvereins Straßberg und engagiert sich als ökologisch produzierender Landwirt. Besonders liegt ihm die Erhaltung der vogtländischen Wälder als generationsübergreifende Maßnahme am Herzen. 3 ha Wald wurden von ihm im Sinne eines ökologischen Waldumbaus mit Laubgehölzen neu angepflanzt. Durch Borkenkäfer- und Sturmschaden vernichteter Waldbestand wurde wieder aufgeforstet. Dabei handelt er stets nach seinem Motto: „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt!“.

Mich erfüllt es mit ganz besonderer Freude, dass Siegmar Kelz heute die Stadtplakette und damit ein Zeichen höchster Anerkennung durch unsere Stadt Plauen erhält. Er war in seiner aktiven Zeit ein Kommunalpolitiker, der eine außergewöhnlich hohe Akzeptanz bei den Bürgern genoss und auch heute noch genießt. Dies begründet sich durch viel aufgewendete Zeit, Eigeninitiative und selbstständige, auch risikobehaftete Entscheidungen, mit denen er sich auch manchmal listig und „bauernschlau“ über bürokratische Hürden hinwegsetzte. Siegmar Kelz hat außergewöhnliches für Straßberg, Plauen und die ganze Region geleistet.

Ich freue mich, dass ich als sein Nachfolger als Ortsvorsteher auf dieses sichere und standfeste Fundament aufbauen durfte. Die Grundlagen für die weitere erfolgreiche Entwicklung Straßbergs seit 2001 als Teil Plauens und sicher auch noch weit in die Zukunft hinein hat Siegmar Kelz gelegt. Solange es engagierte Menschen wie ihn gibt mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft unserer Stadt und unseres Landes. Lieber Siegmar – herzlichen Dank für Deinen Einsatz. Ich bin mir sicher, auch wenn Du heute die Stadtplakette für Dein Lebenswerk erhältst, können wir weiterhin mit Dir rechnen. Ich wünsche Dir dazu auch weiterhin viel Kraft und Gottes reichen Segen.

Dr. Klausdieter Roth
Laudator: Sven Gerbeth, Fraktionvorsitzender FDP

“Davon lebt Theater!”, sagte kürzlich Dr. Klausdieter Roth zu mir, als ich ihm, keine 150 Meter von hier, bei Kaffee und Mineralwasser im Dormero-Hotel vertraulich von einem meiner noch unverwirklichten verwegenen Pläne erzählte. Was würde wohl geschehen, wenn ich mich bei einer Aufführung von Schillers „Kabale und Liebe“ – am besten natürlich sogar bei der Premiere – mitten im fünften und letzten Akt, gerade wenn sich die Spannung beinahe ins Unermessliche steigert, plötzlich als Zuschauer auf bestem Parkettplatz von eben jenem erheben und in die atemlose Stille hinein laut und vernehmlich rufen würde: „Ihr seid ja betrogen, Ferdinand von Walter, wenn Ihr nur wüsstet, wie betrogen Ihr seid!“ Würden die Schauspieler dort droben auf der Bühne weiterspielen oder würden sie den Vorhang fallen lassen?

Ich könnte für mich ja eine gewisse, sagen wir naive Versessenheit in Anspruch nehmen: Dass mich das Spiel der Mimen ganz ungeheuerlich in seinen Bann gezogen habe?! Dass ich unbedingt korrigierend eingreifen wollte, ja musste, um dem Guten letztendlich doch zum Siege zu verhelfen! Ob man mir das wohl abnehmen oder aber mich für vollkommen verrückt erklären würde?

„Die Schauspieler würden weiterspielen“, zeigte sich Klausdieter Roth überzeugt. Und was würde passieren, wenn ich zur nächsten Aufführung des Stückes wieder im Theater erscheinen würde? Würde man mich überhaupt noch hinein lassen? Der Theatermann Roth meint, auch das würde geschehen. Und wäre er der Intendant, so würde er versuchen heraus zu bekommen, wer dieser Mensch denn wohl ist, der sich nicht damit abfinden will, dass Schiller kein Happyend vorgesehen hatte. Er würde das Gespräch suchen.

So hat er es immer gehalten, der Theatermann Roth: Mit den Leuten sprechen, versuchen, ihre Motive, ihre Beweggründe nachzuvollziehen und sie andererseits bei seinen eigenen Entscheidungen mitzunehmen. So hat er es gehalten auch in all der Zeit, als er für das Plauener Theater leitende Verantwortung trug.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Familie Roth, lieber Dieter Roth, wir sind heute hier zusammengekommen, um Herrn Dr. Klausdieter Roth mit der Stadtplakette unserer und seiner Heimatstadt Plauen zu ehren. Das ist ein sehr schönen Anlass, insbesondere, wenn man bedenkt, dass Dr. phil. Klausdieter Roth, den hier zu Lande die allermeisten Menschen – ganz gleich, ob sie ihn schätzen und mögen oder aber sich eine kritische Distanz zu ihm bewahrt haben – nur als Dieter Roth kennen, wenn man also bedenkt, dass dieser Dieter Roth in dem denkwürdigen Jahr 1990 zum Intendanten des Vogtland Theaters in Plauen berufen wurde und von da an die Geschicke des Hauses über ein Jahrzehnt lang ganz wesentlich prägte.

Der zeitliche Rahmen einer solchen Laudatio birgt natürlich die Gefahr, das umfassende und produktive Wirken des hier und heute zu Ehrenden nicht in allen Facetten angemessen zu beleuchten. Deshalb sei zunächst der sozusagen offizielle Teil vorangestellt. Der gebürtige Plauener Klausdieter Roth wurde im Wendejahr 1990 zum Intendanten des Vogtland Theaters (Hieß es damals überhaupt schon so?) berufen. Über fast ein Jahrzehnt hinweg führte er das Haus mit Klugheit, Geschick und Zukunftsvisionen. Dadurch konnte es im Zuge der Fusion mit dem Theater Zwickau als Mehrspartenhaus für die gesamte Region erhalten werden.

Klausdieter Roth wurde 1941 in Plauen geboren. Nach dem Studium an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg musste Klausdieter Roth die Verwerfungen der sozialistischen Kulturpolitik am eigenen Leibe erfahren. Die eigentlich angestrebte Laufbahn beim Film fiel den dogmatischen und doktrinären Auffassungen damals verantwortlicher Funktionäre zum Opfer. Klausdieter Roth kam zur Bühne, war als Dramaturg, Regieassistent, später als Oberspielleiter unter anderem in Meiningen, Eisenach und Cottbus tätig, ab 1990 dann in Plauen. Hier setzte er gemeinsam mit einem engagierten Team künstlerisch bemerkenswerte Akzente. Neben einem „ganz normalen“ anspruchsvollen Spielplan sind vor allem das Theaterspektakel „Titanic“ und die jährlichen Produktionen im Parktheater besonders in Erinnerung geblieben.

Zugleich verstand sich Klausdieter Roth als Streiter für das Theater und für dessen Belegschaft. Dies geschah in einem kritischen, aber stets von Fairness und gegenseitigem Respekt getragenen Dialog mit den Verantwortlichen in der Kommunalpolitik. Mit der Verleihung der Stadtplakette wird das vielfältige Engagement des Theatermannes Klausdieter Roth wenige Monate vor seinem 70.Geburtstag eine besondere Anerkennung erfahren. Wenn man aber in die Tiefe gehen möchte, was ohne Zweifel am heutigen Nachmittag nur punktuell möglich ist, dann gibt Roth selbst Auskunft über so vieles in seinem 2006 erschienenen Buch „Eine virtuose Lüge“, unterschrieben als „Lebensbekenntnisse eines Provinzkünstlers 1941 bis 2006 – Eine ART-Autobiographie“. Zum Beispiel in jener Passage, in der er beschreibt, wie er in den Tagen der Wende im Jahre 1990 versuchte, eine neue berufliche Herausforderung zu finden und sich ihr auch zu stellen.

Zitat: „Meine ´Bewerbungstour´ dokumentierte sich in meinen Schreiben an die Rechtsträger der Theater in zwölf Städten… Meine Bewerbungen führten oft nicht einmal zu einem höflichen Gespräch vor Ort. Rücksendungen und Absagen mit ´Gefühl des Amtes´ dominierten. Eine Kulturchefin der neuen Zeit ließ mich nach Eisenach kommen. Sie kannte mich noch als Schülerin, wie sie betonte, als ich ein ´irrsinnig interessanter´ Oberspielleiter am dortigen Landestheater war (das stimmte). Die liebe (jetzt) ´Dame der Revolution´ warb aber auch dafür, zu verstehen, dass in den ersten Jahren nach dieser fundamentalen Wende ein erfahrener ´Wessi-Intendant´ günstiger wäre.

Ich fuhr zurück nach Cottbus, gab mich auf, sah keine Hoffnung, und es geschah ein Wunder. Ein Theatermann, der mich kannte, und der in einer westdeutschen Stadt als neuer (aus dem Osten) Intendant berufen wurde (eine Seltenheit), ließ mir ausrichten, ich solle mich schnellstens in Plauen bewerben. Ich zögerte. Plauen – meine Heimatstadt, die ich nur noch als Besucher der Eltern betreten wollte, wie mein Schwur nach dem Verbot meines Defa-Spielfilmes und meiner ´Flucht´ aus Babelsberg lautete, – und nun in Plauen Intendant?? Da ich sowieso nicht an eine, meine Berufung dort glaubte, und nur um mir innere Stärke zu beweisen, nahm ich eine Anhörung wahr, eine zweite, eine dritte und ein Schreiben bestätigte mir kurz danach, dass die Bewertungskommission mir das Amt anvertraute. Plauen, d. h. ihre neuen Repräsentanten entschlossen sich, einen Ostdeutschen zu holen, einen Kandidaten mit einer ostdeutschen Biographie. Das war zu dieser Zeit nicht die Regel. Diese Entscheidung rech ne ich der Stadt hoch an. Ich bin noch heute zutiefst dankbar für diesen Mut….

In Cottbus glaubten manche nicht an mich. Die Meinung: „Das schafft der Roth nicht! Der ist viel zu gut!“ schien vorherrschend zu sein. Mein alter lieber Ausstattungschef sagte als einziger laut: „Lasst den nur machen. Das ist ein guter Ensemble-Vater, eine Art väterlicher Freund, den benötigen die Theater.“ (Zitat Ende)

Den benötigen die Theater?

„Mein Credo lautete, alle Mitglieder des Hauses, die bleiben wollen, bleiben auch bei meinem Amtsantritt. Keinen einzigen Mitarbeiter habe ich aus Gründen egozentrischer Konzeptpunkte und Vorbehalte entlassen. Auch heute, viele Jahre danach, verstehe ich die meisten Herren Intendanten nicht, die meinen – weil sie es nach den engen mittelalterlichen Tarifverträgen dürfen, mindestens 65 Prozent der künstlerischen Kräfte kündigen zu müssen, um ein neues, ihresgleichen Theaterspielkonzept realisieren zu können.“

Ja, so einen benötigen die Theater!

Zehn Jahre hat Dieter Roth als erster Mann die Verantwortung für das Vogtland Theater in Plauen getragen. Aus dieser Zeit ist ein ebenso anspruchsvoller wie inhaltlich breit gefächerter Spielplan in Erinnerung geblieben.

Aber es war dies auch ein Jahrzehnt des Kampfes um den Erhalt dieses Hauses als Mehrspartentheater. Dieter Roth und sein – wie sagt man so schön – Leitungsteam arbeiteten an Konzepten, klopften an vielen Türen, manche öffneten sich ein wenig, andere öffneten sich ganz weit und wieder andere blieben gänzlich verschlossen.

Als absehbar wurde, dass es einen selbstständigen Erhalt des Vogtland Theaters in der bisherigen Form nicht mehr auf Dauer geben würde, dachte man im Theater und im Plauener Rathaus über eine mögliche Fusion nach. Mit Hof war ein Vertrag so gut wie unterschriftsreif ausgehandelt, der jedoch am Widerstand breiter Kreise der oberfränkischen Öffentlichkeit scheiterte. Eine innervogtländische Lösung, die darauf hinaus gelaufen wäre, alle drei damals im Vogtland bestehenden Orchester personell zu reduzieren, kam nicht zu Stande. Allein dieses Thema würde den Stoff abgeben für einen oder mehrere abendfüllende Vorträge.

Schließlich kamen die Plauener auf Zwickau zurück, welche man vorher schon einmal mit Hinweis auf die gedeihlichen Gespräche mit Hof abgewiesen hatte. Die Gespräche damals habe ich zu einem gewissen Teil als Mitglied des Betriebsausschusses mit verfolgen können. Die Fusion selbst war in der Öffentlichkeit wie in breiten Teilen der Belegschaft des Vogtland Theaters nicht unumstritten. Ihre inhaltliche Ausgestaltung nicht minder schwierig.

Dieter Roth war in einem nicht einfachen, sondern eher schmerzhaften Erkenntnisprozess zu einem Verfechter des Zusammengehens geworden. In deren Vollzug musste Roth nicht nur seiner eigenen Ehefrau nach trister Sozialauswahl kündigen. Auch er selbst erlebte nach einem Übergangsjahr als „untergeordneter Leiter des Hauses in Plauen“ den Abstieg in die Arbeitslosigkeit.

Mehrere Jahre machte er einen großen Bogen ums Plauener Theater. Er inszenierte an verschiedenen Häusern in ganz Deutschland, darunter in Würzburg, in Freiberg und auch bei Roland May in Zittau. May und Roth kannten sich von einer nur kurze Dauer währendem Intermezzo Roland Mays in den 90ern als Schauspielchef in Plauen.

Gestatten Sie mir, verehrte Anwesende, lieber Dieter Roth, liebe Familie Roth, an dieser Stelle noch ein persönliches Wort als einer, der zwei Jahrzehnte später als Dieter Roth ebenfalls in diesem Hause da drüben zum ersten Male Theater in Form eines Weihnachtsmärchens erlebte, der später in Schüler- und Abiturienten- und Studententagen hier regelmäßig Ernstes und Heiteres auf der Bühne erlebte, und der in den 90ern als junger Kommunalpolitiker zum ersten Mal persönlichen Kontakt mit einem Intendanten des Vogtland Theaters erlebte.

Für das Theater unter dem Intendanten Dieter Roth wäre ich zu jeder Zeit durchs Feuer gegangen. Mein Verstand sagt mir, dass ich dies auch für das Theater unter dem Generalintendanten Roland May tun sollte. Mein Herz aber ist noch nicht so weit. Ich schließe nicht aus, dass es irgendwann einmal so weit sein kann. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.

Nicht zu spät ist es auf jeden Fall dafür, Herrn Dr. Klausdieter Roth hier und heute, einige Monate vor seinem 70. Geburtstag im kommenden Jahr und ein Jahrzehnt nach dem Ende seiner Tätigkeit am Vogtland Theater seiner und unserer Stadt Plauen zu ehren. Dazu unser herzlicher Glückwunsch! Wir hoffen und freuen uns auf ein noch viele Jahre währendes gutes Miteinander! Und zunächst freuen wir uns auf den 15. Oktober, wenn zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine Roth´sche Inszenierung im Plauener Theater Premiere haben wird.

Günter Weis
Laudator: Ralf Bräunel, Stadtrat der CDU-Fraktion

Lieber Günter Weis, sehr geehrte Damen und Herren, keine andere Persönlichkeit hat in Plauen den Schwimmsport in den vergangenen 50 Jahren so geprägt wie Günter Weis. In einem bis an die gesundheitlichen Grenzen führenden Engagement hast Du Dich für die Entwicklung und Förderung des Schwimmsportes in deiner Heimatstadt Plauen eingesetzt.

Nachdem dir eine eigene sportliche Laufbahn aus gesundheitlichen Gründen verwehrt war, hast Du Dich schon in den 50iger Jahren als Übungsleiter, Kampfrichter und Organisator eingebracht. Selbst die Aufnahme des Studiums an der Hochschule für Bauwesen Leipzig konnte die Verbindung zum Verein nicht unterbrechen. Noch als Student wurdest Du im Dezember 1962 zum Sektionsleiter Schwimmsport der BSG Motor Plauen gewählt. In den vielen Jahren wurde von Dir eine gleichberechtigte Entwicklung der in Plauen traditionell vorhandenen Fachsparten Sportschwimmen, Wasserball und Synchronschwimmen unterstützt.

Besonders gefordert wurde Günter Weis, wenn es um die Verbesserung der Voraussetzungen zur Ausübung des Schwimmsports in Plauen ging. Vielleicht liegt es ja daran, dass er selbst noch das Schwimmen in der Elster an der Uferstraße erlernen musste. Sportschwimmer wurde Günter nach der 1950 erfolgten Wiedereröffnung des im Krieg zerstörten Stadtbades, wo er im Januar 1951 an Nachwuchswettkämpfen teilnahm.

Mit der Etablierung des Nachwuchsleistungssportes durch die Einrichtung eines Trainingszentrums Schwimmen in Plauen wurden unter der Sektionsleitung von Günter Weis zahlreiche sportliche Erfolge im Schwimmen und Wasserball erzielt. Zu den Höhepunkten in den Jahren bis zur politischen Wende in Deutschland gehörten u. a. das 1970 von ihm ins Leben gerufene Wasserball-Turnier um den Ehrenpreis des Oberbürgermeisters der Stadt Plauen, das dreimalige Erringen des DDR-Meistertitels der Knabenwasserballmannschaft, DDR-Medaillenplätze der Kunstschwimmerinnen sowie der Gewinn des FDGB-Pokals 1980.

Für den Plauener Schwimmsport waren dabei meistens größere Reisen notwendig, da mit dem Stadtbad kein wettkampfgerechtes Bad zur Verfügung stand und die Durchführung überregionaler Wettkämpfe im Freibad Haselbrunn immer wetterabhängig waren. Ich kann mich noch gut an die im Freibad ausgerichteten Endrundenturniere zu DDR–Meisterschaften im Wasserball erinnern, wo für die Torwarte in den Pausen heißes Wasser zur Erwärmung der Finger gereicht wurde. Erfindungsreichtum und Organisationstalent waren auch im alten Stadtbad gefragt, wenn durch das Verschließen der Beckenüberläufe eine annähernd wettkampfgerechte Wassertiefe erreicht wurde. Einen ersten Erfolg konnten die Plauener Schwimmsportler 1982/83 mit dem Bau der Schwimmhalle Hainstraße verzeichnen. Schon bei diesem Bauvorhaben stand Günter Weis als fachkundiger Diplomingenieur beratend zur Seite.

Mit dem gesellschaftlichen Wandel nach der Wiedervereinigung Deutschlands änderten sich auch die Strukturen des Vereinssports. Mit der erneuten Gründung des Schwimm-Vereins „Vogtland“ Plauen e.V. am 09.07.1990 wurden dabei die sportlichen Erfolge der Sektion Schwimmsport aus der BSG Motor Plauen mit dem traditionellen Namen SVV fortgeführt. Günter Weis erhielt erneut das Vertrauen der Mitglieder und führte den Verein neun weitere Jahre als Präsident. Unter den neuen Bedingungen in der BRD begann neben dem alltäglichen Kampf um den Erhalt und die Entwicklung der sportlichen Vereinsstruktur die Idee einer wettkampfgerechten Sportstätte für Plauen zu reifen. Von Anfang an kämpfte hier Günter gegen alle Widerstände mit der ihm eigenen Beharrlichkeit für den Bau einer Schwimmhalle mit 50 m Wettkampfbecken für den Plauener Schwimmsport. Zu keinem Zeitpunkt hat er dabei die Hoffnung auf Realisierung dieses Vorhabens verloren. Allen Rückschlägen trotzend konnte nach der Zusage zur Förderung des Bauvorhabens durch die Sächsische Landesregierung am 24.08.2007 die neue Halle eingeweiht werden.

Leider konnte Günter Weis an diesem Ereignis gesundheitsbedingt nicht teilnehmen. Dies empfand ich als besonders tragisch, opferte er doch einen wesentlichen Teil seiner Freizeit während des Baus für eine wettkampfgerechte Schwimmhalle. Mehrmals wöchentlich informierte er sich über den Fortgang der Bauarbeiten und stand im ständigen Dialog mit den Architekten und der Bauleitung. Sein auch national und international erworbenes Fachwissen als ehrenamtliches Mitglied der Präsidiumskommission „Sportstätten und Umwelt“ des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), als Schwimmstättenreferent im Präsidium des Sächsischen Schwimm-Verbandes (SSV) und als Vorstandsmitglied der „Internationalen Akademie für Bäder-, Sport- und Freizeitbauten in Deutschland e.V.“ (IAB) kam so uns Plauenern kostenlos zu gute. In den vielen Jahren der ehrenamtlichen Tätigkeit für den Schwimmsport in Plauen hat Günter Weis viele Stunden für andere gekämpft. Möglich war ihm das nur durch den Rückhalt in seiner Familie und hier besonders durch die ständige Unterstützung seiner Frau Anita, die ihn über die gesamte Zeit begleitet hat.

Das von Günter Weis eingebrachte bürgerliche Engagement erfährt mit der Verleihung der Stadtplakette der Stadt Plauen die entsprechende Würdigung. Ich würde mich freuen, wenn Günter uns noch viele Jahre mit seinem Rat zur Seite steht. Schließen möchte ich mit einem Satz des altgriechischen Historikers Thukydides: „Menschen sind es, die das Gemeinwesen ausmachen, nicht Mauern!“ Lieber Günter, ich gratuliere Dir auf das Herzlichste zur Verleihung der Stadtplakette der Stadt Plauen.

Jörg Schneider
Laudator: Rainer Maria Kett, SPD-Fraktionsvorsitzender

Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben gemeinsam vorgeschlagen, Herrn Jörg Schneider mit der Stadtplakette der Stadt Plauen auszuzeichnen und der Stadtrat ist mit einer überwältigenden Mehrheit diesem Vorschlag gefolgt. Die Stadt Plauen verleiht die Stadtplakette an Bürger, die sich um unsere Stadt verdient gemacht haben. Gemeinhin muss man sich dafür ein ganzes Leben lang anstrengen und so ist es schon etwas Besonderes, wenn heute ein gerade einmal 43-jähriger im Rampenlicht steht. Und ich finde es überaus positiv und längst überfällig, dass politisches Handeln einmal in den Mittelpunkt der Ehrung gerückt wird. So gerät auch diese Rede politisch und wird möglicherweise nicht jedem gefallen.

Wir erinnern uns vielleicht daran, dass bei den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution Superintendent Thomas Küttler immer wieder betont hat, dass in Plauen die erste Großdemonstration war, vor der die SED-geführte Staatsmacht kapituliert hat. Ich werde nie vergessen, wie wir die aufgehetzte Garde der Bereitschaftspolizei am Rathaus einfach stehen gelassen haben und im strömenden Regen die Bahnhofstraße hinaufgelaufen sind: weit über 10.000 Trotzige, die es einfach satt hatten. Und mit jedem Schritt wuchs das Gefühl, in die Freiheit zu gehen, und aus Trotz wurde Stolz – unendlicher Stolz, dass wir uns selbst befreit hatten. Der friedliche Ausgang in Plauen am 7.10.1989 war der Grundstein zum Erfolg der friedlichen Revolution und zur Wiedererlangung der Einheit Deutschlands. Und wer den stillen und unaufgeregt agierenden Jörg Schneider erlebt, käme nicht gleich auf den Gedanken, dass er es war, der den Entschluss fasste, zu dieser Großdemonstration aufzurufen, und diesen Entschluss auch in die Tat umsetzte.

Im Juni vergangenen Jahres wurde im sogenannten Point Alpha die gesamte Bürgerrechtsbewegung der DDR mit dem gleichnamigen Preis geehrt. Joachim Gauck – selbst engagiert und Mitbegründer des Neuen Forums, der in wenigen Tagen hier bei uns sein wird, war in beeindruckend herzerfrischender Weise der Laudator. Dabei schaute er viel weniger zurück als nach vorn. Es war das Verdienst der Bürgerbewegung, die Missstände der sozialistischen Diktatur wahrzunehmen und zu benennen – und schließlich dieses Benennen auch öffentlich zu machen und nicht nur im geschützten Raum z. B. einer Kirche. Damit unterscheidet sie sich fundamental von jenen Opportunisten, die mir heute noch ständig erklären, dass sie schon immer gegen dieses System gewesen seien. „Das scheinbar Unvernünftige – nämlich sich nicht angepasst zu verhalten – wurde zum Vernünftigen – nämlich die Lüge durch die Wahrheit zu ersetzen. Und nicht nur das: sie haben vielmehr Veran twortung übernommen und waren in Wahrheit nicht gegen sondern für etwas. Das erst hat den anderen den Mut gemacht und so ist aus der Tugend der Wenigen die Kraft der Vielen geworden.“ So Gauck.

Jörg Schneider ist dafür ein beredtes Beispiel. Aufgewachsen wie hunderttausend andere – ohne christlichen Hintergrund, als Schüler der Allende-Schule, deren damaliges Lehrerkollegium sich durch besonderen Übereifer im vorauseilenden Gehorsam zur SED-Staatsdoktrin „auszeichnete“. Nach der Schulzeit beginnt er eine Lehre im Werkzeugbau der Elgawa und erlebt ein Kollektiv von Gleichgesinnten: Menschen, die Fragen stellen; die die Handlungen des SED-Regimes und den real existierenden Sozialismus kritisch hinterfragten, die ihn prägen. Nach der Lehrzeit wird er mit Anfang 19 zum Grundwehrdienst an der Grenze einberufen und seine Fragen erhalten ungewollt neue Klarheit. Er beschreibt dieses Ausgeliefertsein, das Empfinden, in einer verdeckten Militärdiktatur zu leben, mit seiner ihm eigenen, leisen und klaren Art: „Wir mussten uns in unserem eigenen Gefängnis bewachen.“ Und es entstand der Entschluss: „Wenn du hier raus bist, musst du was tun.“ Das war im Frühjahr 1988.

Wieder zurück in seinem Arbeitskollektiv sorgte der Wahlbetrug vom 7. Mai 1989 und die brutale Niederschlagung der Demonstration vom Platz des himmlischen Friedens in Peking dafür, dass die Motivation, aktiv zu werden, nicht nachließ. Leipzig mit seinen Friedensandachten und anschließender Demonstration war das Vorbild für den Gedanken, am 40. Jahrestag der Gründung der DDR zu einer Demo auf dem Theaterplatz aufzurufen. Er begann immer dann, wenn die Eltern nicht zu Haus waren, die Aufrufe auf seiner Reiseschreibmaschine zu tippen. In der Nacht vom Montag zu Dienstag machte er sich mit einigen Freunden aus seinem Arbeitskollektiv auf, um die Zettel zu verteilen. Der Erfolg machte fast übermütig: selbst Donnerstagnacht auf dem Oberen Bahnhof und am Freitag nach der Friedensandacht vor der Markuskirche wurden mitten im Gewühl zwischen den Bürgern und der Staatsmacht noch Zettel mit dem Aufruf zur Demo verteilt. Das Engagement wurde belohnt. Jörg Sc hneider war übrigens als Einziger fest davon überzeugt, dass er wirklich mehr als 10.000 Menschen zum Aktivwerden, zum Sich-selbst-befreien motivieren kann.

Die Freiheit erworben zu haben heißt auch, sich als Bürger zu bewähren, wenn die Diktatur vorbei ist. Freiheit ist eben nicht die Einsicht in die Notwendigkeit, wie es uns als Schüler mal eingebläut wurde, denn das war seit Lenin und Stalin nichts anderes als vorauseilender Gehorsam und treffender kann man Diktaturen nicht charakterisieren. Freiheit ist vielmehr die Chance, selbst aktiv zu werden. Es wird nie so sein, dass in einer Gesellschaft alle Menschen gleichermaßen davon bewegt sind, ihr Gemeinwesen zu gestalten, aber die Gesellschaft braucht eine hinreichende Anzahl von aktiven und verantwortungsbereiten Menschen. „Ich kann nichts damit anfangen“, sagt Gauck, „als würde irgendeine anonyme Instanz – das Kapital – oder irgendein anderes numinöses Walten über uns unsere eigenen Aktivitäten unterbinden. Das ist nichts weiter als Flucht in die Ohnmacht.“ Wer seine Freiheit als Verantwortung definiert, hat das wunderbare Gefühl, erwachsen zu werden.

Der kommt weg davon, Freiheit nach dem Motto „ich darf alles“ zu sehen. Das war vielleicht in den Tagen nach dem 7. Oktober 1989 berechtigt. Aber spätestens als wir unsere eigene Regierung bilden mussten – auch hier in Plauen – da mussten wir Freiheit als Freiheit für etwas verstehen. Das war Jörg Schneider genauso bewusst. Bereits wenige Tage nach der ersten Demo nahm er Kontakt zu Steffen Kollwitz auf und begann, sich im Neuen Forum Plauen zu engagieren. Beeindruckt vom Charisma eines Willi Brandt und Helmut Schmidt entschloss er sich später zur Mitgliedschaft in der SPD und kandidierte als Stadtverordneter – so hieß das damals noch – für den ersten frei gewählten Stadtrat der Stadt Plauen, dem er über ein Jahr lang angehörte.

„Wir haben Verantwortung und unsere Psyche wird uns nicht dafür belohnen, wenn wir uns aus dieser Verantwortung herausstehlen. Die vielen politisch Frustrierten, die meinen, dass das alles nichts bringt und man doch nichts ändern kann, die werden frustriert bleiben, weil sie nicht begreifen, dass sich nur was ändert, wenn sie aktiv werden.“ Politische Ohnmacht nennt das Gauck und fügt hinzu: „…aber keine, die ein Diktator gemacht hätte, sondern eine selbst gewählte politische Ohnmacht. Keine Ketten mehr, die uns binden, keine Partei oder Stasi, die uns unterdrücken, aber einige Ketten an unseren Füßen – bei genauerem Hinsehen sind diese Ketten aus Gold. So kann man auch verkommen. Nicht nur durch Kommunismus und Nationalsozialismus.“ Soweit Gauck. Jörg Schneider blieb aktiv – auch dann, als er sich von SPD und Neuem Forum zurückzog, weil er deren weichgespülten Zentralismus nicht gut hieß. Es war ausgesprochen spannend, mit ihm fair und kritisch über dieses Thema zu reden. Die Parteien sind für ihn in ihrer Erstarrung längst keine Volksparteien mehr – vielleicht auch, weil sie krampfhaft Volkspartei sein wollen und der Versuch, es allen recht machen zu wollen, in die Beliebigkeit führt.

Die Bundesregierung erweckt für ihn den Eindruck von Marionetten, die Parteiendemokratie funktioniert nicht oder nicht mehr und es ist eigentlich Zeit, etwas zu verändern. War es am Anfang der einfache Austausch mit Gleichgesinnten – gewissermaßen die „Gruppe Schneider“ so ist es jetzt das Engagement gemeinsam mit anderen ehemaligen Mitgliedern des Neuen Forums in der „Bürgerplattform für demokratische Erneuerung“. Er sieht sein Engagement in diesem Bürgerforum als Versuch, etwas zu bewegen und dabei anders als in Parteiclustern zu denken. „Es gibt nicht rechts oder links, es gibt nur gute und schlechte Politik, alles andere gehört auf den Müllhaufen,“ bringt er in seiner unnachahmlichen Art die Dinge auf den Punkt.

Anders als voriges Jahr im Point Alpha ehren wir heute nicht die Bürgerrechtsbewegung, sondern den bewegten Bürger. Jörg Schneider gehört für mich in der Geschichtsschreibung auf die gleiche Stufe wie Kurt Masur in Leipzig. So wie am 9. Oktober 1989 Kurt Masur den Mut hatte, öffentlich über den Stadtfunk zur Friedfertigkeit und Besonnenheit aufzurufen, so hatte Jörg Schneider die Entschlossenheit, zwei Tage zuvor 15.000 Plauener für eine Massendemonstration zu aktivieren und damit das SED-Regime in die Knie zu zwingen. Der Weg in die Einheit Deutschlands begann auch in einer orangefarbenen Reiseschreibmaschine hier in Plauen und ist noch längst nicht zu Ende. Joachim Gauck formuliert in seiner Laudatio: „Von den Menschen aus der Bürgerrechtsbewegung lernen heißt auch, sich zu bewähren, wenn die Diktatur vorbei ist. Wir sind berufen zur Freiheit und wir fühlen uns eingeladen zur Verantwortung“ Mein Respekt und mein Glückwunsch zur Stadtplakette für Jörg Schneider.

2010-09-24, Quelle: Stadt Plauen

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