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Plauen Nachrichten
  • Freitag, 10 Juli 2020, 08:42 Uhr | Lesezeit ca. 7 Min.

Bombenalarm in Plauen – größte Evakuierungsaktion droht

17.000 Menschen in Plauen müssten Wohnung verlassen

Auf Baustellen an der Syra- und an der Bleichstraße befinden sich metallische Gegenstände im Boden, bei denen es sich um Weltkriegsbomben handeln könnte. Am Freitag, 17. Juli 2020, werden Experten das Gelände absuchen und die verdächtigen Gegenstände soweit wie möglich „angraben“. Am Samstagmorgen, 18. Juli, werden diese dann freigelegt. Sollte es sich um eine oder mehrere Bomben handeln, wird der Kampfmittelbeseitigungsdienst vor Ort entscheiden, in welchem Umkreis zu evakuieren ist.

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Bombenalarm in Plauen

Für eine 250 Kilo-Bombe gilt in Sachsen ein Radius von einem Kilometer. Im Fall der polizeibehördlichen Evakuierung sind nach § 4 Satz 2 der Kampfmittelverordnung alle verpflichtet, ihren Aufenthaltsort in diesem Bereich zu verlassen: Wohnungen, Geschäftsräume, Kindergärten, Schulen, Altersheime, Krankenhäuser, etc.

 

Sollte sich der Fund einer Bombe bestätigen, werden sich am Samstag, den 18. Juli 2020, ab 7.30 Uhr die Evakuierungsteams aus Feuerwehr und Mitarbeitern der Stadtverwaltung treffen und beginnen dann mit der Evakuierung. Das gesamte zu evakuierende Gebiet wird dann durch die Polizei abgesperrt werden, das heißt, es geht nur noch „raus und nicht rein“, mit Bus oder Bahn, mit Auto oder Krad oder zu Fuß. Von der Evakuierung sind voraussichtlich rund 17 000 Menschen betroffen, davon viele ältere Menschen, die zur Risikogruppe hinsichtlich einer Corona-Ansteckung gehören.

 

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„Die Stadt Plauen steht vor ihrer größten Evakuierungsaktion, die wir bisher erlebt haben. Ich danke schon jetzt allen, die seit Wochen an den Vorbereitungen arbeiten. Denn in Zeiten von Corona mit den notwendigen Hygieneregelungen gestalten sich diese besonders schwierig. Ich bedanke mich bei allen, die am 17. und 18. Juli im Einsatz sind und ich danke allen Betroffenen für ihr Verständnis und ihre Unterstützung, insbesondere dem Handel, Gastronomie und Hotellerie, die nach Corona-Schließung schon wieder von Schließung betroffen sind. Aber, wir können und dürfen an den Baustellen nicht weiter arbeiten, wenn nicht geklärt ist, ob sich im Boden Kampfmittel befinden, hierfür bitte ich um Verständnis“, so Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer.

 

Nachdem es sich am 18. Juli möglicherweise um den 54. Bombeneinsatz seit April 1990 in Plauen handelt, verfügen die Handelnden vor Ort über viele Erfahrungen in der Zusammenarbeit. Am Einsatz zur Evakuierung beteiligt sind Einsatzkräfte des Polizeirevier Plauen, der Polizeidirektion Zwickau, der Bereitschaftspolizei Sachsen, des Rettungsdienstes (110) sowie von Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr (50) und rund 150 Mitarbeiter aus der Plauener Stadtverwaltung. Bei einem längeren Einsatz stehen jeweils weitere Kräfte in Reserve.

 

Rettungszweckverband Südwestsachsen

Jens Leistner vom Rettungszweckverband Südwestsachsen: „In diesem Jahr sind wir mit den besonderen Herausforderungen der Corona-Krise konfrontiert. Das hat viel Vorbereitungsaufwand gekostet. Die gesamte Einsatzplanung haben wir unter der fachlichen Mitwirkung des Gesundheitsamtes des Vogtlandkreises vorbereitet. Die Einsatzkräfte des RZV kümmern sich um die Menschen in den Notunterkünften, um die Evakuierung der Menschen in den Pflegeheimen und deren Unterbringung. Dabei gilt es insbesondere, die Abstandsregelungen bzw. die separate Unterbringung nach Einrichtung zu gewährleisten. Die Evakuierung von Personen aus den Pflegeeinrichtungen ist mit der jeweiligen Einrichtungsleitung abgesprochen.“

 

Notunterkünfte in Plauen

Anja Ullmann, die zuständige Fachbereichsleiterin in der Stadtverwaltung und gleichzeitig Einsatzleiterin, appelliert an die Anwohner: „Wer bei Verwandten, Bekannten oder Freunden unterkommen kann, sollte diese Möglichkeit an erster Stelle nutzen. Vielleicht nimmt sich der eine oder andere auch lieber gezielt etwas vor an diesem Tag. Für all jene, die keine andere Aufenthaltsmöglichkeit haben, stellt die Stadt am Evakuierungstag ab 8.30 Uhr ‚Notunterkünfte‘ zur Verfügung. Diese befinden sich in der Festhalle, Äußere Reichenbacher Straße 4, und in der Mehrzweckhalle Kasernenstraße, Europaratstraße 5, sowie weitere bei Bedarf.“ Alle Notunterkünfte sind mit der Straßenbahn erreichbar. Straßenbahn bzw. Ersatzverkehr sollen so weit wie möglich gewährleistet werden. Die Deutsche Bahn wird den Zugverkehr von und zum Bahnhof Mitte vorübergehend einstellen müssen. Aktuelle Informationen hierzu gibt es im Laufe der kommenden Woche bzw. am Evakuierungstag. Bei Unterbringung in einer Notunterkunft sind bitte die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung sowie die Mindestabstandsregel von 1,50 m beachten.

 

Personen, die beim Weg in die Notunterkünfte auf Hilfe angewiesen sind, werden mit Hilfe von Feuerwehr, Rettungsdienst und Hilfsorganisationen in Notunterkünfte gebracht. Sie bleiben bitte in ihrer Wohnung, die Hilfspersonen klingeln und holen sie ab. All jene, die der Hilfe bedürfen, werden gebeten, bereits vorab ihren Hilfebedarf im Bürgerbüro unter der Telefonnummer 03741 291 2222 anzumelden: Dienstag, 14. Juli, 9 Uhr bis 18 Uhr; Mittwoch, 15. Juli, 9 Uhr bis 14 Uhr; Donnerstag, 16. Juli, 9 Uhr bis 17 Uhr; Freitag, 17. Juli, 9 Uhr bis 14 Uhr. Nach Abschluss der Evakuierung ist für den Rücktransport aus den Notunterkünften mit Bussen gesorgt.

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Polizei

Zur Abriegelung des Sperrgebietes und für die Absicherung der Straßensperren werden Einsatzkräfte der Polizei vor Ort sein. Die Polizeidirektion Zwickau wird dabei von der Bereitschaftspolizei unterstützt. Polizeioberrätin Antje Reinhold, Leiterin des Plauener Polizeireviers: „Unsere Beamten werden die Evakuierungsteams gegebenenfalls mit polizeilichen Maßnahmen bei ihrer Arbeit unterstützen. Auch der Einsatz eines Polizeihubschraubers ist geplant. Bevor der Sprengmeister mit dem Entschärfen beginnt, werden Maßnahmen ergriffen, um zu gewährleisten, dass sich tatsächlich niemand mehr im Sperrgebiet aufhält. Das Entschärfen kann erst beginnen, wenn alle Bürgerinnen und Bürger den Sperrkreis verlassen haben.“

 

Information / Hotline

Die Stadt Plauen stellt alle aktuellen Informationen auf der Homepage unter www.plauen.de/bombe zur Verfügung.

Für telefonische Rückfragen ist am 18. Juli ab 8 Uhr eine Telefon-Hotline geschaltet: 03741 291 2345.

Erst 2019 ist bei Bauarbeiten an den Schlossterrassen eine 50-Kilo-Bombe amerikanischer Bauart gefunden worden. Anwohner in einem 500-Meter-Radius wurden sicherheitshalber evakuiert.

Bombenfund-Plauen-Spitzenstadt-Schloßterasse-Vogtland

Hinweise zur Evakuierung

 

Bei einer Evakuierung bitte das Quartier „urlaubsreif“ verlassen.

 

Was muss ich für die Evakuierung mitnehmen?

•       Medikamente, Brille, Hörgeräte, Hygieneartikel

•       Mund-Nasen-Bedeckung

•       Personalausweis, Krankenversicherungskarte und andere wichtige Dokumente

•       Geld, EC-Karte

•       Essen und Trinken für mehrere Stunden

•       Mobiltelefon und Ladekabel bzw. Powerbank (bitte beachten Sie, dass Sie Ihr Mobiltelefon in Ausweichquartieren nicht aufladen können)

•       Für den Zeitvertreib z.B. Bücher, Zeitschriften, Spiele, Radio mit Kopfhörern

•       Eine Wolldecke

•       Für Kinder: Kuscheltier, Spielzeug, Bücher und eventuell Wickelsachen und Babynahrung

 

Wie hinterlasse ich meine Wohnung/mein Haus?

•       Alle Fenster schließen

•       Licht und elektronische Geräte aus

•       Kerzen löschen

•       Ofen aus? Wasser abgedreht? Bügeleisen aus?

•       Wohnungstür zuschließen

 

Was passiert mit Haustieren?

•       Im Regelfall können und sollen Haustiere zuhause bleiben.

•       Wer das nicht will, muss sein Tier entweder vorher anderweitig unterbringen oder mitnehmen.

•       In den Notunterkünften besteht keine Möglichkeit, Haustiere unterzubringen.

•       Es sollte auf jeden Fall sichergestellt werden, dass die Tiere auch dann genug Futter und Wasser hätten, wenn sich die Rückkehr ihrer Besitzer verzögern sollte

 

Hintergrund:

Im Evakuierungsradius liegen u.a. folgende Unterbringungseinrichtungen:

1.      die Seniorenresidenz „An der Rädelstraße“               (41 Bewohner)

2.      das Altenpflegeheim „Am Komturhof“                      (73 Bewohner)

3.      die Ambulant betreute Wohngemeinschaft          (11 Bewohner)

Mobiler Pflegedienst Cornelia Enke und Katrin Teuschler GbR

4.      Wohngemeinschaft Karlstraße Vogtländischer              (12 Bewohner)

Hauswirtschaft- und Pflegeservice Elke Mehlis GmbH

5.      City Wohnpark Betreuungs-gGmbH                  (72 Bewohner)

6.      Wohnprojekt & Service Plauen GmbH                       (19 Bewohner)

Sonstige

1.      Lebenshilfe Plauen gGmbH        , Außenwohngruppe               (13 Bewohner)

2.      Lebenshilfe Plauen gGmbH, Werkstatt für Menschen mit Behinderungen              (180 Arbeitnehmer)

3.      Paritas gemeinnützige Betreuungsgesellschaft mbH,               (8 Bewohner)

i.      Außenwohngruppe

4.      Familienzentrum – Mehrgenerationenhaus Alberplatz 12

5.      Werkstatt an der Elsteraue für Menschen mit Behinderungen

6.      Tagespflege „Goldener Herbst“

7.      Tagespflege „WohL-gepflegt“ des Wohn- und Lebensräume e. V.

 

Plauen im 2. Weltkrieg

Plauen wurde im 2. Weltkrieg zu 75 Prozent zerstört, 45.000 bis 50.000 Bomben waren auf die Stadt abgeworfen worden.

Noch heute spürt die Stadt die Nachwirkungen, noch heute werden z.B. bei Sondierungen für Baustellen oder bei Grabungsarbeiten immer wieder Bombenrelikte aus jener Zeit gefunden. Diese Bombenblindgänger sind nach wie vor eine erhebliche Gefahr, denn meist sind die Sprengkörper noch immer intakt, durch Alterung werden sie sogar empfindlicher.

Statistische Aufzeichnungen gibt es seit Mai 1979. Seither wurden 71 Bombenblindgänger unterschiedlicher Größe gefunden, davon 34 75-Kilo-Bomben und 25 250-Kilo-Bomben. Nach den Aufzeichnungen war die bisher größte Evakuierungsaktion mit rund 4000 Betroffenen im Juni des vergangenen Jahres, ebenfalls an der Baustelle an der Syrastraße am Schlosshang.

 

2020-07-10

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