- Sonntag, 29 Juli 2012, 00:30 Uhr | Lesezeit ca. 4 Min.
Die erste Druckmaschine und andere Pläne
Spitzengeschichte 39
Als Robert Zahn die Vogtländische Maschinenfabrik AG (VOMAG) von Hermann Dietrich übernahm, war es für Plauener Verhältnisse schon fast zu spät. Das Gebiet der innerstädtischen Elsteraue, perfekt für die Ansiedlung eines expandierenden Betriebes geeignet, war vergeben. Der Zahnsche Betrieb in der Trockentalstraße aber drohte aus allen Nähten zu platzen.
Als eine der ersten deutschen Maschinenfabriken hatte man 1899 begonnen, Rotationsdruckmaschinen herzustellen, um sich auch hier binnen zweier Jahre auf das Niveau der führenden deutschen Fabriken zu begeben. Hatten doch die Dietriche schon in Kappel erkannt, dass die Stickmaschinenproduktion recht eng an der konjunkturanfälligen Textilbranche hing und sich deshalb seit den 80er Jahren auf den Export ihrer Maschinen und den Bau von Druckmaschinen eingestellt. Der Jahresbericht der Plauener Handels- und Gewerbekammer für das Jahr 1896 bestätigte dazu frustriert, dass in ihrem Einzugsbereich lediglich drei, im Folgejahr sieben Stickmaschinen der VOMAG aufgestellt wurden. Der einheimische Markt war gesättigt, während der Auslandsmarkt weiter nach der Plauener Maschine schrie.
Diesen zu bedienen, war dem großen Visionär Zahn klar, war der Standort an der Trockentalstraße zu klein, denn dort hätten seine hochfliegenden Pläne keine Chance gehabt. So begann er noch im Jahr seiner Übernahme mit dem Umzug der gesamten Fabrik in die Elsteraue. Aus der Kalamität, dass innerstädtischer Grund und Boden vergeben war, machte er einen Gewinn. Er baute seine erste geräumige Fabrikhalle, ein Maschinenhaus und eine Modelltischlerei in die Aue vor der Stadt, legte die Cranach- und Holbeinstraße an und sicherte sich exklusiv den Anschluss an den Unteren Bahnhof.
Zahns Managerqualitäten fußten darüber hinaus als Ergebnis seines ereignisreichen Lebens auf sehr genauer Menschenkenntnis. Wie er als Mann, der immer die Hosentaschen voller Goldstücke hätte, galt, gab er tatsächlich Geld mit vollen Händen aus, wenn es der Firma nützte. Von ihm war bekannt, dass er vor schwierigen Probeläufen neuer Maschinen für seine Techniker ein “wohlfeiles Gratisfrühstück” auffahren ließ, um sie zu Höchstleistungen anzustacheln. Mit Menschenkenntnis holte er sich die besten Schweizer Monteure nach Plauen, mit Menschenkenntnis schuf er sich in den elf Jahren seiner Leitung einen Mitarbeiterstab aller erster Referenz, der im Jahr 1914 einer Belegschaft von 3.600 Arbeitern vor stand. Im Kampf um Automaten und Stickmaschinen gab Zahn den Schweizern und den Chemnitzern so kraftvoll den Takt vor, dass die Stickmaschinenproduktion der Maschinenfabrik Kappel AG 1912 fast vollständig zum Erliegen kam, während die VOMAG ihren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz weiter vergrößerte. Unter Zahn wurde die Vogtländische Maschinenfabrik AG zur zweitgrößten Maschinenfabrik Sachsens und zur erfolgreichsten Stickmaschinenfabrik der Welt.
Neben dem Automaten lief die alte Stickmaschinenproduktion erneut zu Höchstleistungen auf. Man rechnete unter Zahn nicht mehr in Maschinen pro Monat. Die Fließbandproduktion, die man in der VOMAG Serienbau nannte, -welche der Amerikaner Henry Ford erst 1913 im Automobilbau mit dem Model T (Tin Lizzy) einführte- ermöglichte es Zahn, die Produktion seiner Maschinen in Minuten zu kalkulieren. Alle 90 bis 120 Minuten lieferte die VOMAG eine Stickmaschine, 1.850 Maschinen im Jahr 1911. Während Kappel dahin vegetierte, verfügte Zahn seinen Arbeitern noch 1913, im Jahr höchster Not der Textilbranche, eine Weihnachtsspende von 100.000 Mark und seinen Angestellten von 60.000 Mark zu bewilligen. Zeugnis einer Wirtschaftskraft, die Zahns Visionen ins Uferlose wachsen ließen. Bereits 1911 begann er mit der Produktion von hochmodernen Offsetdruckmaschinen, er stellte die erste deutsche Spezialmaschine zur Massenherstellung von Büchern (bis 348 Seiten) her. Zahn schien unerschöpflich an Ideen und Plänen. Der Automobilbau wurde unter ihm ins Auge gefasst, sogar Flugzeuge, hieß es, wolle er bauen. Doch unerwartet, verstarb der ungekrönte König der Stickmaschine, dem Plauens Industrie so viel zu verdanken hatte, in der Blüte seiner Jahre am 21. Januar 1913 im St. Jakob Krankenhaus in Leipzig – im Alter von nur 53 Jahren. Einem bösen Omen gleich, nahm Zahns Tod, wie der von Johann Conrad Dietrich (1913) und Hermann Dietrich (1915) die hohe Zeit der Stickmaschine gleichsam mit in die Gruft ihrer Begründer.
Zahns Stickautomat, das denkbar perfekteste Arbeitsgerät der Textilindustrie, das Plauener Monteure unter ihm in die ganze Welt hinaus trugen, schlug in den kommenden Jahrzehnten in Form von Billigprodukten aus Japan, China und Amerika verheerend auf die vogtländische Textilindustrie zurück. Zahn schrieb somit Weltgeschichte, wie sie noch heute erlebbar ist.
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)