- Sonntag, 29 Juli 2012, 00:03 Uhr | Lesezeit ca. 3 Min.
Größter Konkurs der Automobilgeschichte
Spitzengeschichte 42
Es galt als Prestigeerfolg, als VOMAG-Wagen 1923 unter abenteuerlichen Bedingungen den “Ersten Staatswanderpreis für Lastwagen” bei einem Wettbewerb vor Moskau gegen hochrangige internationale Konkurrenz errangen. Gekrönt wurde er, als zwei Jahre später der sieben Pfund schwere Sowjet-Silberpokal, reich mit Edelsteinen besetzt, durch einen erneuten Sieg der VOMAG-Laster gegen die Daimler-Benz (D), die Packard (USA), die Steyr (Österreich), die FIAT (I) und gegen die Talbot (GB) endgültig in der Cranachstraße verblieb. Die Vomag gehörte zu den populärsten Fahrzeugherstellern im Deutschland.
Seit 1922 produzierte die VOMAG auf vier Sektoren; dem Textilmaschinenbau, von der Hand- und Schiffchenstickmaschine über den Zahnautomaten bis zum Webstuhl; dem Druckmaschinenbau, von der Zeitungs-, der Werkdruck-, der Bücherspezial- bis zur 4-Farb-Offsetdruckmaschine; dem Automobilbau, von Nutzkraftwagen und Omnibussen bis zu Benzin-, Rohöl- (Diesel) und Schiffsmotoren; und sie entwickelte den Spezialmaschinenbau mit hochmodernen Mehrspindelbohrmaschinen (16 Spindeln!), Zahn- und Federprüfgeräten von höchster Präzision. In den neuen, hochmodernen Hallen konnten 40 Stickmaschinen, 45 Stickautomaten, 30 Rotationsdruckmaschinen, 20 Gummi- (Offset-) druckmaschinen, 50 Lkw’s und 120 Webstühle gleichzeitig montiert werden. 1922 hatten die drei VOMAG-Werke eine Gesamtfläche von 232.900 Quadratmetern, davon waren 43.370 Quadratmeter überbaut, die Arbeitsfläche jedoch belief sich auf 67.600 Quadratmeter.
Möglich war das, durch die Errichtung von revolutionär geltenden Hochbauten in der für seine Zeit hochmodernen Monierbauweise (Stahlbeton), in der man vier- und fünfstöckige Produktionshallen errichtete. Produktionshallen, in denen selbst Lastautos im Serienbau produziert wurden. Dazu transportierten riesige Fahrstühle, Kräne und Laufkatzen die Lastautos von Etage zu Etage. Bis Kriegsende lieferte die VOMAG einige tausend Lastkraftwagen an die Front, bereits vier Jahre nach dem Krieg hatte sie sich zu einem Maschinenbaugiganten empor gearbeitet, dem scheinbar keine Grenzen mehr gesetzt waren.
Die Belegschaft war auf 6.200 Beschäftigte angestiegen. Was undenkbar schien, trat trotzdem ein. Mit dem Tod des VOMAG-Chefkonstrukteurs Peter Teigland im Juli 1925, wurde das Ende der zweiten Glanzzeit der VOMAG eingeläutet. Als sich die Ungeschicklichkeiten seines Nachfolgers -der hatte vorher bei der Konkurrenz (M.A.N. und Büssing) gedient- am ”Schwarzen Freitag”, dem 29. Oktober 1929, mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise verbanden, fuhr die VOMAG Verluste in Millionenhöhe ein. Ab 1930 wurden im Monat nur noch 20 bis 30 Fahrzeuge hergestellt. Stellte die VOMAG im Frühjahr 1932 die Zahlungen ein, so kam es bereits am 15. Mai des selben Jahres zum Konkurs, nach dem sich der Betrieb in einer Auffanggesellschaft, der “VOMAG-Betriebs-AG”, wiederfinden sollte.
Der VOMAG-Konkurs war der letzte große Konkurs in der Weimarer Republik. Er war gleichzeitig der bis dahin größte, vielleicht der spektakulärste Konkurs in der Geschichte der deutschen Automobilindustrie. Die Belegschaft war von 1473 Mitarbeitern am Tag der Konkurseröffnung, auf 600 weiter geschrumpft. Hauptaktionär Albert Ottenheimer, der die VOMAG nach dem Krieg maßgeblich an die Spitze gebracht hatte, wurde nach dubiosem Prozess verhaftet, eingesperrt und enteignet. Auf Betreiben des Plauener NS-Kreisleiters Alfons Hitzler, mit Unterstützung der Konkursverwaltung -der “Treuhand-A.-G. für Wirtschaftsprüfung (Treuwirtschaft) Plauen”- wurde der Jude Ottenheimer im Frühjahr 1934 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Dresden in ”Schutzhaft” genommen.
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)