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ratgeber
  • Dienstag, 18 Oktober 2016, 16:56 Uhr | Lesezeit ca. 4 Min.

Die Fichte ist Baum des Jahres 2017

SachsenforstDr. Silvius Wodarz Stiftung und „Kuratorium Baum des Jahres“ küren eine Baumart, die stärker nicht polarisieren könnte.

Seit 27 Jahren wird durch die Dr. Silvius Wodarz Stiftung der Baum des Jahres ausgerufen. Wie der Staatsbetrieb Sachsenforst in seiner jüngsten Pressemitteilung schreibt, wird im kommenden Jahr diesen begehrten Titel erstmals die Fichte tragen – eine Baumart die polarisiert, und die wie keine andere die Geschichte des sächsischen Waldes geprägt hat.

Wer die Landschaft Sachsens mit offenen Augen erkundet, kommt an der Fichte nicht vorbei. Ob Elbsandsteingebirge, Erzgebirge oder Zittauer Gebirge, Tharandter, Werdauer oder Wermsdorfer Wald. Das schlanke Nadelgehölz begegnet einem in Sachsen allerorten.

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Eine entscheidende Ursache für den Siegeszug der Fichte findet sich tief unter der Erde der sächsischen Mittelgebirge. Um das Jahr 1168 begann mit dem ersten „Berggeschrey“ eine rasante Entwicklung des Bergbaus im Erzgebirge, die bis ins frühe 19. Jahrhundert anhielt. Damit verbunden war ein starker Bevölkerungszuwachs und die florierende Entwicklung der sächsischen Metropolen, allen voran Dresden und Freiberg. Die Folge war ein immenser Bedarf an Bau- und Brennholz, der zunächst zu einem massiven Rückgang der Waldfläche führte.

Dieser Entwicklung begegnete man zunehmend über den Anbau der produktiven Fichte, bis diese zur prägenden Baumart ganzer Regionen wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten homogene Fichtenforste die ursprünglichen, artenreichen Waldgesellschaften in den sächsischen Mittelgebirgen verdrängt.

Das bis dahin gute Image der Fichte – anspruchslos, schnellwachsend, produktiv und wirtschaftlich gut nutzbar – bekam ab den 1960er Jahren deutliche Kratzer. Die sächsischen und böhmischen Mittelgebirge waren zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich mit Fichten bestockt.

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Der zunehmende Eintrag von Schwefelverbindungen aus den Industrie- und Kohlerevieren des Böhmischen Beckens ließ in den Kammlagen des Erzgebirges Fichtenbestände auf mehr als 15.000 Hektar Fläche absterben, zehntausende weitere Hektar wurden dauerhaft stark geschädigt.

Auch dieses Bild von Landschaften voller grauer Baumskelette ist untrennbar mit der Waldgeschichte in Sachsen verbunden. Durch technische Maßnahmen in den Industrieanlagen hat sich nach der politischen Wende die Luftqualität wieder verbessert. Dadurch, aber auch durch forstliche Maßnahmen wie die Bodenschutzkalkung, ist eine Erholung der Fichtenbestände zu verzeichnen. Jedoch droht der Fichte neue Gefahr – bei steigenden Temperaturen und geringeren Niederschlägen zählt die feuchtebedürftige Baumart zu den Verlierern im Klimawandel.

Verheerende Stürme wie Vivian, Lothar, Wiebke oder zuletzt 2007 Kyrill haben anschaulich offenbart, wo die Anpassungsfähigkeit der Fichte endet. Insbesondere im Hügelland und in den unteren Berglagen drohen Massenvermehrungen des Buchdruckers. Und selbst die angestammte Heimat der Fichte – die Hoch- und Kammlagen der Mittelgebirge – bleiben bei fortschreitendem Klimawandel nicht davon verschont.

Der Baum des Jahres 2017 steht hierzulande am Scheideweg. In der Vergangenheit war die Fichte ein Ausweg aus der Holznot und diente der Wiederbewaldung devastierter Landschaften. In Zukunft soll sie nur noch dort wachsen, wo sich die standörtlichen Bedingungen wirklich eignen.

Dieser Waldumbau ist ein Generationenprojekt – der Weg von den homogenen Fichtenforsten hin zu standortgerechten, stabilen Mischwäldern, in denen die Fichte neben anderen Baumarten auch künftig ihren Platz findet, ist ein Weg der behutsamen, kleinen Schritte. Stück für Stück, aber kontinuierlich, weicht die Uniformität monotoner Fichtenforste der stabilen Vielfalt, die bereits heute unter ihrem Kronendach heranwächst. Noch ist die Fichte gefolgt von der Kiefer die bedeutendste Baumart im Freistaat und wird dies auch auf lange Zeit noch bleiben.

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Fichten wachsen auf gut einem Drittel der sächsischen Waldfläche, immerhin 173.000 Hektar. Mit 1,3 Millionen Kubikmetern Holz liefert die Fichte mehr als die Hälfte der jährlich eingeschlagenen Holzmenge in Sachsen und ist damit entscheidende Grundlage der Wertschöpfung im Sektor Forst und Holz.

Es ist diese Ambivalenz zwischen ihrer überragenden wirtschaftlichen Bedeutung und der hohen Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels, dass es 27 Jahre gedauert hat, bis die Fichte zum Baum des Jahres gekürt wurde. Der sächsische Baum des Jahrhunderts aber ist sie schon lange.

Weitere Informationen über Sachsenforst erhalten Sie unter www.sachsenforst.de. (seb/smul)

2016-10-18

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