- Donnerstag, 8 April 2021, 22:27 Uhr | Lesezeit ca. 6 Min.
Eklat in Plauen um 8000 Euro für Demokratieprojekt
Ein Antrag und seine Folgen
Ein umstrittener Stadtratsbeschluss um Gelder für ein Demokratieprojekt sorgt aktuell für reichlich Zündstoff. Nicht nur in Plauen. Bundesweit wird über einen Antrag der Plauener CDU Fraktion berichtet. Es geht um 8000 Euro, ein altes und neues Bündnis gegen rechtes Gedankengut und um einen Tabubruch im Stadtrat. Aber der Reihe nach.
Die Plauener CDU-Stadtratsfraktion muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der AfD-Fraktion und Stadtrat Tony Gentsch von der rechtsextremen Kleinstpartei “Der Dritte Weg” gemeinsam entschieden zu haben. Ein noch immer andauernder Shitstorm nach der Abstimmung im Stadtrat vergangene Woche folgte. Der Plauener CDU-Fraktions-Chef Jörg Schmidt sei mehr als verärgert darüber, auch über die Berichterstattung: „Wir werden als Steigbügelhalter der Nazis hingestellt“, sagt Schmidt zu Spitzenstadt.de. Der Fraktion sei klar gewesen, dass die AfD und “Der Dritte Weg” aufspringen und gegen einen Antrag der SGI-Fraktion (SPD, Grüne und Initiative Plauen) stimmen werden. Dieser sah die Weiterzahlung der Gelder vor.
Ein solches Abstimmungsverhalten habe es nicht zum ersten Mal gegeben, meint Schmidt. “Sollen wir uns als konservative Partei verleugnen, nur weil es dem politischen Gegner von links gefällt?” Tony Gentsch kommentierte nach der Abstimmung auf seinem Facebook-Profil: “Es gibt auch noch positive Anträge.”
„Wenn uns hier einige Kungelei mit Rechtsextremen unterstellen, sollten vielleicht alle vorherigen Beschlüsse geprüft werden, die von SPD/Grünen oder Linken kamen, bei denen der Dritte-Weg-Stadtrat ebenfalls zustimmte“, fügt CDU-Fraktionsvize Tobias Kämpf bei.
Auslöser waren 8000 Euro Fördergelder für das Aktionsbündnis „Runder Tisch für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage im Vogtlandkreis“. Die Stadt Plauen zahlte dem Gremium bisher jährlich die Summe. Der Vogtlandkreis steuert weitere 12.000 Euro bei. Insgesamt bekam das Bündnis damit jährlich 20.000 Euro überwiesen. Was ein Aktionsbündnis mit 20.000 Euro macht, lesen Sie gleich.
Runder Tisch löste sich Ende 2020 in Plauen auf
Wegen mehrfacher interner Unstimmigkeiten löste sich der von der evangelisch-lutherischen Kirche moderierte Runde Tisch im Herbst 2020 auf. „Es sei immer schwieriger geworden, die breite Zivilgesellschaft sowie den Großteil der Parteien an einem Tisch zu versammeln. Es fehle bei einigen wiederholt ein erkennbarer Wille zur Gemeinsamkeit“, heißt es in einer Begründung.
“Öffentliche Mittel werden nicht einfach vererbt oder weitergegeben. Es sind die gleichen Protagonisten in dem neuem Verein.”
Jörg Schmidt, Plauener CDU-Fraktionschef
Ulrike Liebscher koordinierte bisher den Runden Tisch. Die Vorsitzende der vogtländischen Grünen gründete nach der Auflösung im Januar eine neue Aktionsgruppe: Das Bündnis für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage. Für diesen Nachfolger sind die Gelder im Stadtrat nun gestrichen worden. Liebscher ist davon ausgegangen, die Gelder auch mit einem neuen Bündnis zu bekommen. „Ich bin enttäuscht vom Ergebnis. Schlimmer war aber die Debatte vorher. Die Arbeit vom Runden Tisch wurde runtergemacht“, sagt sie auf Anfrage.
Ein Antrag der Fraktion von SPD, Grüne und Initiative Plauen, dem neuen Bündnis die Gelder weiter zu zahlen, wurde im Stadtrat von den Stimmen aus CDU, AfD und “Drittem Weg”abgelehnt. Der strittige Antrag der CDU-Fraktion sieht vor, die 8000 Euro nicht dem Runden Tisch zu geben, sondern unter anderem für demokratiebildende Schulprojekte, Bildungsfahrten und Aufklärungsarbeit gegen rechtes Gedankengut im Netz zu nutzen. Mit den Stimmen der AfD zusammen bekam die CDU dafür eine knappe Mehrheit. „Öffentliche Mittel werden nicht einfach vererbt oder weitergegeben. Es sind die gleichen Protagonisten in dem neuem Verein“, sagt Jörg Schmidt.
Tabubruch im Plauener Stadtrat
Die Zusammenarbeit im Runden Tisch sei nicht immer einfach gewesen, bestätigt Schmidt. „Wir haben unseren Teil immer geleistet und haben uns den Nazis gegenübergestellt.“ Anlass zum Fördermittel-Stopp dürfte Ulrike Liebscher selbst gegeben haben. Seit Jahren habe es Unstimmigkeiten gegeben. Zu politisch sei es zugegangen. „Sie halten uns für zu linksextrem“, sagt Ulrike Liebscher. 2019 zog sich ein weiteres Haar rein. Die Grünen-Kreisrätin teilte auf ihrem Facebook-Profil ein provozierendes Satire-Plakat von „Die Partei“. Es zeigte im Landtagswahlkampf CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer nackt auf einer Wolke mit einem XXL-Penis und der Aufschrift „Aus langer Tradition“. Die vogtländische CDU fühlte sich angegriffen, ließ die Mitgliedschaft am Runden Tisch wenig später ruhen.
Die Mitglieder der CDU hätten mit ihren Äußerungen selbst die Mitglieder aus dem Bündnis getrieben, meint der colorido Verein, der das alte Bündnis komplett verlassen hatte. Der Runde Tisch sei eher eckig statt rund, meint Doritta Korte vom Verein. „Damit kann man keine zivilgesellschaftliche Arbeit machen. Da muss man auch mal den Finger in die Wunde legen und auf Probleme aufmerksam machen, aus der Deckung kommen und Gesicht zeigen“, sagt sie auf der Webseite tolerantes-sachsen.de. Die Christdemokraten hätten erkennen müssen, welche Gruppen ihrem Antrag im Plauener Stadtrat folgen. Die CDU-Fraktion habe einen Tabubruch im Stadtparlament begangen und die demokratische Seite verlassen, heißt es auf der Vereinswebseite von colorido.
Fördergelder finanzierten Bürostelle
Was bisher kaum transparent kommuniziert wurde, ist der Fakt, was das Aktionsbündnis eigentlich mit den gut 20.000 Euro Fördermitteln angestellt hat. Dafür sind keine Plakate oder Aktionen finanziert worden. Das wäre laut Liebscher förderschädlich. „Aktionen durften von dem Geld nicht bezahlt werden.“ Mit den 8000 Euro von der Stadt Plauen und den 12.000 Euro vom Landkreis wurde die Koordinierungsstelle von Ulrike Liebscher bezahlt. 16 Stunden in der Woche habe sie in einem Büro im Pfarramt der St. Johanniskirchgemeinde für das Aktionsbündnis gearbeitet. Hier seien alle Fäden zusammengelaufen.
„Aktionen durften von dem Geld nicht bezahlt werden.“
Ulrike Liebscher, Bündnisleiterin
Nun macht Ulrike Liebscher, die aktuell arbeitssuchend ist, in ihrem neuen Demokratieprojekt erst einmal ehrenamtlich weiter. Viele positive Signale, Unterstützung und Spendengelder habe das Gremium in den letzten Wochen bereits erhalten. Ein neuer Träger sei ebenfalls in Sicht. Mehr als 40 Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen seien wieder mit dabei. Liebscher vermutet, dass der Vogtlandkreis seine finanzielle Beteiligung am neuen Bündnis ebenfalls nicht verlängern werde. Eine Entscheidung stehe noch aus.
Runder Tisch in Plauen besteht seit 2012
Gegründet wurde der Runde Tisch in Plauen 2012 als offenes Gremium für Akteure aus Politik, Gesellschaft und Kirche. Vor allem sind Proteste und Aktionen gegen rechtes Gedankengut und Aufmärschen von rechten Gruppen in Plauen organsiert worden. Neben dem Widerstand auf der Straße bot der Runde Tisch auch Veranstaltungen zur politischen Bildung an.