- Sonntag, 29 Juli 2012, 01:31 Uhr | Lesezeit ca. 4 Min.
Sprachinsel Vogtland – Mir sei mir…
Spitzengeschichte 18
Eine weitere Plauener Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte: Es waren die Slawen, die in Ortsnamen auf Endungen wie -itz und -losa um den Ort plave die Wurzeln ihrer einst bescheidenen Existenz im Elsterland hinterlassen haben. Der Name der Stadt Plauen selbst birgt eine Erinnerung an die slawischen Siedler, die, wenn man den Ergebnissen der Namensforschung folgt, hier wahrscheinlich schon Baumstämme geflößt oder geschwemmt haben.
Der altsorbische Wortstamm plav- trägt die Bedeutungen von schwimmen, schwemmen und schmelzen in sich. Möglich ist auch eine Verbindung mit den Überschwemmungen zur Schneeschmelze, wie sie bis zur Flussbegradigung vor über einhundert Jahren verlässlich in der Elsteraue erlebbar waren. Aus dem ursprünglichen „vicus plawe“, dem Flecken Plawe, wird die „civitas Plawe“, die Stadt Plawe. Das -n am Ende des Namens ist für 1360 erstmals belegt. Warum auf den Landkarten zu unterschiedlichen Zeiten die Schreibweisen „Vogtland“ und „Voigtland“ zu finden sind, ist ein bisschen leichter zu erklären.
Wie so viele Wörter unserer Sprache ist auch die Amtsbezeichnung „Vogt“ dem Lateinischen entlehnt. Sie ist verwandt mit dem auch heute noch gemeinhin verständlichen Wort „advocatus“, was ursprünglich Fürsprecher oder Beistand bedeutet hat, aber schon sehr früh als „Verwalter“ verstanden wurde. Der lateinische Name „Terra advocatorum“ wurde verdeutscht zu Land der Vögte oder eben Vogtland. Die andere Version hat den Umweg übers Mittelhochdeutsche genommen, als „voegt“ oder „voigt“ geschrieben wurde.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt die deutsche Sprache das bis dahin gebräuchliche Latein als Amtssprache im Heiligen Römischen Reich abzulösen. Die erste Kaiserurkunde in deutscher Sprache wurde 1238 unter Friedrich II. ausgefertigt. Vor dem Leipziger Schöppenstuhl ist ab 1327 nur noch Deutsch als Verhandlungssprache zugelassen, der Anteil der sorbisch sprechenden Bevölkerung ist im Land der Wettiner auf eine zu vernachlässigende Größe abgesunken ist. Prägend auf die Entwicklung der Amtssprache wirkt die Meissnischen Kanzleisprache.
Sie wird im gesamten Herrschaftsbereich der Wettiner, deren Territorium das größte Flächenland im Reich ist, verwendet. Zur Dominanz des Meissnischen trug auch bei, dass die seit der Reformation in Wittenberg ausgebildeten protestantischen Theologen durch Wort und Schrift diesen Stil im gesamten Reich verbreiteten. So entwickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts, geprägt durch Martin Luthers Bibelübersetzung und die Ideen seines Freundes Philipp Schwartzerdt (Philippus Melanchthon), die ostmitteldeutsche Mundart zur allgemein verwendeten Schriftsprache und zur Ausprägung der Hochdeutschen Sprache im Reich.
Das Voigtland war auch hier noch lange eine Insel. Eine Sprachinsel. Seine slawischen Ein-, wie deutsch Hinzugeborenen, setzten dem machtpolitischen Auf und Ab des elitären Umfeldes ihre bodenständige Beharrlichkeit, die Zugezogene und Lexika später gerne mit dem Begriff »kleines zänkisches Bergvolk« denunzierten, entgegen. Das Vogtland blieb für lange Zeit noch ein Land, wo man im Nachbarort eine andere Sprache sprach.
Wo Kinder noch vor zwei Generationen in Plauen gegrinne (Rotz und Wasser) oder geleiert, in Großfriesen aber schon gezannt (alles geweint) haben, wo die Menschen ze Mittich Bambes, Griegeniffte oder nakkitte Maadle, drei Wälder weiter (Westerzgebirge) aber Klitscher oder Rauhe Magd (alles Kartoffelpuffer) essen, wo vor nunmehr fast dreihundert Jahren dr hamm Erfl oder Erdeplfl (von Erd-Äpfeln), aber in der Landeshauptstadt Dresden Abern (von Erd-Birnen) das Grundnahrungsmittel wurden. Wo man Sesshaftigkeit linguistisch auf solch Spitze trieb, dass man Äpfel und Birnen nicht mehr voneinander trennen musste, sondern gar nicht merkte, dass Erdepfl und Abern sozusagen das Gleiche (Kartoffeln) sind.
Dessen Menschen noch heute in der Fremde nie freudig berichten, de Schwamme standn tramplweis, wenn sie dort Freunde suchen. Von denen aber besonders ein Satz unverfänglich ist, weil er nur dem Eingeweihten ein intim-taktvolles Lächeln entlockt; der selbst schriftlich bedenkenlos ist, da ihn „richtige” Deutsche nicht verstehen: -Mir sei mir und annere Leit sei Sei-. (ce)
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit.
31.08.2008