- Sonntag, 23 August 2009, 13:19 Uhr | Lesezeit ca. 3 Min.
„Mit Mitte 20 ohne Perspektive“?
„Tunnelkids“, „Pöbelpunks“ oder „nichtsnutzige Halbstarke“, so werden die Jugendlichen in der Innenstadt, die mittlerweile zum ständigen Erscheinungsbild gehören, von einigen Bürgern genannt oder auch beschimpft. Zuweilen verbringen diese jungen Menschen viele Stunden in Plauens Zentrum, sitzen am Tunnel, an den Straßenbahnhaltestellen oder im Lutherpark und konsumieren Alkohol.
So erregen sie die Aufmerksamkeit so manches ordnungsliebenden Bürgers. Doch die Jugendlichen sind keineswegs allein gelassen. Die Sozialarbeiter der Mobilen Jugendarbeit Plauen kümmern sich um jene, die sich nicht in üblicher Weise in die Gesellschaft integrieren. Anja Merkel und Janet Lippert, zwei jener Sozialarbeiterinnen wehren sich gegen eine pauschale Vorverurteilung der Jugendlichen. Sie halten die jüngst wieder aufgeflammte Diskussion für wenig zielführend.
Die beiden Jugendarbeiterinnen kümmern sich ausschließlich um die jungen „Herumlungernden“, wie es oft im allgemeinen Sprachgebrauch heißt. Aber auch Personen, die das fünfzigste Lebensjahr bereits überschritten haben, sitzen zuweilen auf den innerstädtischen Bänken und konsumieren Bier. Diese Situation ist sicherlich nicht schön, aber Merkel und Lippert wollen eine Gleichbehandlung erreichen. Schließlich sei ihrer Meinung nach der öffentliche Raum für jeden da. Der Lutherpark beispielsweise ist kaum besucht und so finden die Jugendlichen einen freien Platz, wo sie den Tag verbringen können. Gegen unangenehme Verhaltensweisen wie öffentliches Urinieren gibt es schon eine gesetzliche Handhabe. Das Plauener Ordnungsamt sei bereits sehr aktiv. Passanten anpöbeln oder herumliegende Bierflaschen heißen die mobilen Jugendarbeiter auch nicht gut und sie weisen „ihre“ Jugendlichen auch in aller Regelmäßigkeit daraufhin. Trotzdem meint Anja Merkel, dass sich die Situation ein Stück weit verbessert hat. Früher waren Polizeieinsätze an der Tagesordnung. Mittlerweile werden sogar die Hunde angekettet. Von zehn Tieren laufen höchstens noch zwei frei herum. Auch die Verschmutzung hat abgenommen, von Zeit zu Zeit läuft sogar der eine oder andere mit einem Müllbeutel herum und sammelt die eigenen Hinterlassenschaften wieder auf. Auch die Bänke im Lutherpark wurden schon einmal in Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiterinnen gestrichen. Sicherlich wurden einige Verbesserungen erzielt, aber Licht am Ende des Tunnels ist noch nicht in Sicht.
„Sie sind in Endlosschleifen bei der ARGE“, erklärt Merkel. „Einige sehen mit Mitte 20 keinen Ausweg mehr.“ Dass sich die Jugendlichen ziel- und planlos Tag für Tag, Woche für Woche in der Stadt aufhalten und das geringe Arbeitslosengeld in Alkohol investieren, hat seine gesellschaftlichen Gründe. Das Herz der Sozialarbeiter schlägt für Gerechtigkeit. Sie vertreten die Ansicht, dass nicht jeder von Geburt an die gleichen Chancen hat und somit gibt es immer wieder soziale Problemfälle. Doch jammern hilft nichts und so versuchen die Jugendarbeiterinnen die Symptome zu bekämpfen. Für sie ist es bereits eine positive Entwicklung, wenn sich einige der Jugendlichen über das persönliche Leben Gedanken machen und als Persönlichkeiten wachsen. Des Öfteren sorgt auch ein eigenes Kind für ein positives Umdenken. Manch einer holt etwas verspätet seinen Schulabschluss nach oder beginnt eine Lehre. Die Sozialarbeiter sind dann meist die einzigen, die den jungen Leuten auch einmal auf die Schulter klopfen und Zuspruch geben. Die Mobile Jugendarbeit möchte keine pauschale Verurteilung. Seit Jahren sitzen sie mit Ordnungsamt und Straßenbahn an einem Tisch, um über die Situation zu sprechen. „Plauen kämpft nicht alleine auf weiter Flur“, so Anja Merkel, auch in vielen anderen Städten herrschen derartige Zustände. Nur blinder Aktionismus hilft keinem. (ce)
2009-08-23